Es erstaunt mich immer wieder, wie sehr Schreibwerkstätten ein „Eigenleben“ entwicklen, je nachdem an welchen Orten sie stattfinden oder in welcher Frequenz und natürlich vor allem: in welcher Zusammensetzung. Und das gilt auch für die unterschiedlichen „digitalen“ Formate, mit denen ich gerade experimentiere – denn diese Virtuelle Schreibwerkstatt ist nicht die einzige, die ich notgedrungen im virtuellen Raum anbiete, aber es ist die einzige, die vollkommen offen ist. Jede:r kann „vorbei kommen“ und sich ein bisschen umsehen und mitmachen – so wie in der Offenen Schreibzeit, die ich für das Bremer Literaturkontor seit diesem Jahr einmal im Monat anbieten wollte (und in den beiden Vor-Corona-Monaten Januar und Februar 2020 angeboten habe).
Dass diese Virtuelle Schreibwerkstatt hier auf dem Blog sich sehr von anderen Angeboten unterscheidet, dass es keinen intensiven Austausch über entstandene Texte gibt, bzw. geben kann, dass die Zusammensetzung sich permanent verändert, das liegt also viel weniger am Online-Charakter als an der großen Offenheit dieses Formats. Deswegen habe ich den Teilnehmer:innen meiner regelmäßigen Schreibwerkstätten auch ein weniger offenes Format angeboten, als sich abzeichnete, dass zumindest im 1. Halbjahr keine Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen möglich sein würde. Ich habe kein Programm gefunden, das haargenau für unsere Bedürfnisse passen würde (relativ einfach in der Verwendung, Möglichkeit mit der ganzen Gruppe auf die jeweiligen Texte zurückzugreifen und sie jeweils zu kommentieren, möglichst kostenlos), aber nachdem ich einige Tools ausprobiert hatte, habe ich mich für paper.dropbox entschieden, das sich für unsere Zwecke als eine recht gute Wahl erwiesen hat. Ich habe dort für die jeweiligen Gruppen Ordner angelegt. Diese Ordner enthalten einzelne Dateien (z. B. mit dem Namen der jeweiligen Teilnehmer:innen oder auch eine, die wir für eine Art „Chat“ umfunktioniert haben) und können, nachdem ich die Teilnehmer:innen per Mail zu diesem Ordner „eingeladen“ hatte, von diesen mit Text gefüllt werden. Dabei kann man sowohl direkt in die Datei reinschreiben oder auch aus einer bestehenden Datei oder Zwischenablage Text in die Datei kopieren (das ist in der Regel der bessere Weg, weil sonst alle, zumindest theoretisch beim Entstehen/Tippen des Textes zuschauen können.
Und wie geht es jetzt weiter, jetzt wo die halbwegs „normalen“ Formate wieder möglich werden, wo man sich wieder sehen und ganz real begegnen kann? Soll jetzt wieder alles wie „früher“ werden? Aber nein!, sagen H. und C. und M. (die nicht vom allerersten Moment an begeistert von den neuen Möglichkeiten waren) – wir wollen „unsere Dropbox“ behalten mit all den Möglichkeiten, die sie bietet. Denn jetzt, wo die frisch entstandenen Texte nicht mehr „nur“ vorgelesen werden, sondern sich an einem Ort befinden, an dem sie später nochmal verbessert oder nachgelesen oder kommentiert werden können, da ist die Frage, die sich aufdrängt: Wie kombinieren wir den Austausch in den unterschiedlichen Räumen so, dass es für jede einzelne Gruppe gut passt? Ich bin selbst neugierig, wie das gehen kann und ob es zum Beispiel möglich sein wird, dass einige die Dropbox nutzen und andere nicht (ich glaube, dass das gut gehen wird, aber letztlich muss man diese Dinge ausprobieren).
Als Beispiel dafür, wie anregend das Stöbern in den „Dateien der anderen“ sein kann, habe ich die Tabelle ausgewählt, die Maike zu der Schreibanregung (24) Stadt-Land-Tod oder Name-Beruf-Versteck angefertigt hat. Schaut Euch gerne darin um, denn Maike hat die Erlaubnis zur „allgemeinen Ideen-Plünderung“ erteilt: Wer also die Idee für eine Figur hat, die sich auf einem Enrique-Iglesias-Konzert versteckt (oder auf dem flachen Land) oder die unbedingt eine Axt (oder ein Hirschgeweih) loswerden muss, der lege ohne Zaudern los. Oder lege eine neue, eigene Liste an. Mit diesen oder ganz anderen Kategorien. Alles ist erlaubt!
Ich freue mich auf Texte, Listen, Ideen – und ich freue mich auch, dass die Sommerakademie der vhs Diepholz in der idyllischen Freudenburg auch in diesem Sommer stattfinden wird (hier gehts zum Flyer mit dem kompletten Programm und hier gehts zur Anmeldeseite, denn in meinem 2. Kurs vom 17.08. – 21.08. sind noch Restplätze frei. (Anmeldung bitte nur über die vhs Diepholz, Fragen auch gerne an mich: juttreichelt@aol.com)
Super Ideen! Was du alles so ausbaldowerst.
(Dankeschön fürs Buch, ist gut angekommen, und bezahlt ist es auch schon.)
… ausbaldowern – das habe ich auch schon lange nicht mehr gehört oder gelesen. Und freue mich gleich doppelt, vielen Dank!
Heute fuhr ich mit dem Rad an der Weser entlang, da sprang mir der volumig gesprayte Schriftzug ins Auge: ÖDE -, und während ich über die Brücke radelte, gebar er das:
Ade, Ede,
mit dir war’s nicht ideal,
eher öde…
Viele Grüße von Cordula
Vielen Dank!
… und was wäre, wenn das ein Ede läse, der sich angesprochen fühlen würde (obwohl kein bisschen gemeint? Was wäre, wenn … das ist ja oft der Anfang, der Keim einer Geschichte …
Sobald es wieder problemlos geht, möchte ich gerne an einer deiner Schreibwerkstätten im „hohen Norden“ teilnehmen.
Ich mag dieses Projekt hier sehr und habe viele interessante Anregungen gelesen, aber Austausch findet nicht statt – wäre auch schwierig. Konstruktive Kritik bekommt man in Bloghausen auch nur von einigen wenigen kostbaren Kommentatorinnen, die ich sehr hoch schätze.
Das freut mich! Und ja, du hast recht, Austausch ist bei diesem Format kaum möglich (ganz ab und zu blitzt er mal kurz auf, aber das ist natürlich kein Vergleich zu dem, was in anderen Werkstätten möglich ist). Ich finde es aber auch wichtig im Auge zu behalten, dass der Austausch über Texte immer prekär ist und das nicht nur wegen irgendwelcher „Empfindlichkeiten“ (die ganz selbstverständlich dazu gehören), sondern auch, weil es eben wirklich eine kleine Kunst ist, einen Text zu erfassen – und das gilt für Texte, die im Entstehen begriffen sind, ganz besonders …
Ja, eben dieses Auge bzw Gespür für Texte und die hilfreichen Kommentare wären für mich die Motivation für den Besuch einer Schreibwerkstatt.
Ich finde übrigens deine e-mail-Adresse nicht, sonst könnte ich dir meine Adresse zwecks Zuschickung eines Buchs mailen, oder sind sie schon vergriffen?
Oh nein, sie sind noch nicht vergriffen! Meine Email-Adresse ist: juttareichelt@aol.com (Ich bin so ein Vertriebsprofi …) Viele Grüße und einen schönen Tag!