Der zweite Schritt beim Schreiben könnte in einer kleinen Serie bestehen

Wenn Menschen mit „dem Schreiben beginnen“, dann ist das wichtigste Kriterium für die Güte einer Schreibanregung, dass sofort etwas „da“ ist: eine Idee, ein erster Satz, eine Figur. Groß sind oft die Bedenken, ob eine/r das überhaupt kann, ob es nicht vielleicht eine Anmaßung ist, zu sagen: Ich schreibe jetzt. Kaum etwas vertreibt diese Befürchtungen (zumindest für eine Weile) so mühelos wie ein Text, in den man schreibend hineingezogen wird.

Deswegen erscheint mir nichts so sinnvoll, wie genau das eine Weile zu machen: ersten Schreib(ideen) nachzugehen und eine kleine (Material)-Sammlung anzulegen. Das brauchen noch keine „richtigen“, „fertigen“ Texte oder Geschichten zu sein, sondern „Notizen“ oder „Skizzen“, in denen man vor allem ausprobiert, was passiert, wenn man einmal mit dem Schreiben beginnt. Wo man landet. Das werden mitunter Sackgassen ein, wo der Text zerfranst oder es schlichtweg „nicht mehr weitergeht“ – aber das macht nichts. Es geht am Anfang vor allem darum, sich an das Schreiben zu gewöhnen und zu schauen, wo es eine/n hinzieht. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand mehr als fünf solcher kleiner Texte schreibt und sich nicht irgendetwas wiederholen oder zeigen würde, an dem es lohnt „dranzubleiben“: eine Figur oder ein Ort, ein Motiv oder Thema, eine innere Haltung oder ein Ton.

Wer dazu Lust hat, kann dann, sozusagen als zweiten Schritt, eine kleine „Serie“ anfertigen. Mehrere kürzere Texte, die durch eben dieses  gemeinsame Merkmal „zusammengehalten“ werden. Eine solche „Serie“ scheint mir auch ein guter Zwischenschritt zu sein, wenn der Blick der Schreibenden sich allmählich auf etwas „Größeres“ richtet, ohne dass für einen Roman oder eine längere Erzählung schon die Idee und das Zutrauen vorhanden wäre.

Wie gesagt, idealerweise findet sich das „verbindende“ Element in den schon vorhandenen Texten oder Notizen und manchmal ist es für die Werkstattleiterin leichter zu entdecken, als für denjenigen, der (erstmals) mitten drinsteckt im Prozess. Aber es ist auch möglich, eine solche Serie zu „planen“ und rund um einen Ort (ein Haus, eine Straße, ein Dorf, eine Eisdiele – was auch immer), eine Figur oder ein anderes „Verbindungsstück“ herum mehrere Texte zu gruppieren.

Und auch wenn es nicht leicht fällt: das Ziel sollte nicht in erster Linie darin bestehen, etwas „Vorzeigbares“, etwas „Gutes“ zu schreiben, sondern neugierig zu verfolgen, was da entsteht – an Text(fragmenten) und vor allem an neuen Ideen …

Zuletzt war das hier im Blog und auch in meinen realen Werkstätten mehrfach Thema: die Suche nach dem jeweils individuell „passenden“ Text. Und deswegen ist das nun schon der zweite Beitrag in Folge, der sich damit beschäftigt. Hier geht es zu: Zum Schreiben gehört auch die Suche nach dem, was einmal ein Text werden könnte. Ich freue mich bei diesem Thema ganz besonders über eure Erfahrungen und Einschätzungen: Könnte das ein Weg sein? Wer hat vielleicht schon einmal ähnliches versucht? Wo liegen Hürden? Gibt es Abkürzungen oder andere gute Tipps? Vielleicht können wir hier darüber ins Gespräch kommen!

9 Kommentare

  1. Liebe Jutta,
    manchmal verhelfen Gefühle, die so schnell keinen geeigneten Adressaten finden, zu einer Geschichte oder zu mehreren. Da taugt die Liebe genausogut wie der Ärger. Meine letzte begonnene „Serie“ hatte eine ungeheure Wut als Auslöser. Um dieses Gefühl nicht überschäumen zu lassen, bin ich auf die Idee gekommen, eine Fabel zu schreiben. Die hat den Vorteil, Menschen mehr oder weniger unkenntlich zu machen und sie trotzdem an den guten alten Pranger stellen zu können. (War das nicht sogar der ursprüngliche Sinn von Fabeln?)
    Nach der ersten Episode von der Hyäne und dem Krokodil hatte sich mein Ärger soweit verflüchtigt, dass es keine zweite gab. Schade eigentlich.

    1. Liebe Sylvia, was mir besonders an deinem Bericht gefällt (vielen Dank dafür!) ist der Keim einer neuen Geschichte von einer Person, die gar nicht weiß, wo sie „hin soll“ mit ihrer ungeheurer Wut und die dann umfangreiche Pläne schmiedet und Vorbereitungen trifft und alles mögliche „anstellt“. Und dann? Das weiß ich auch gerade (noch) nicht 😉 Wir sehen uns!

      1. Mit der Abstraktion einer Situation trete ich einen Schritt vom Geschehen zurück und bekomme dadurch vielleicht auch einen Abstand zum Gefühl, sehe (vielleicht), was noch alles dahinter steckt.
        Durch die Verwandlung der betroffenen Personen in Tiere (im Fall der Fabel) gebe ich sie einer Lächerlichkeit preis, die mich erst einmal entlastet. Bin ich wieder ruhiger, kann ich mich dem Geschehen anders, im besten Fall objektiv, widmen.
        Aber das war ja nur eines von vielen Beispielen, wie kleine Texte entstehen können, wie man einen Ausdruck für sich findet. Oder ganz viele Audrücke. Spaß macht auch, Menschen zuzuhören und Textfragmente in Miniaturen zu notieren. Manfred Voita macht das vielleicht auch, um münsterländische Marotten festzuhalten? Oder sind sie schon so sehr in Fleisch und Blut, dass sie automatisch sprudeln?

        1. Mir gefällt die Vorstellung sehr, eine fiktive Figur in kleineren Etappen durch die Widrigkeiten des Alltags zu jagen. Mit Tieren hingegen bin ich (auch) schreibend nicht so befreundet – was dem einen das Wollknäuel in der Begrüßungsrunde ist mir die Frage: Wenn du ein Tier wärst …. Beste Grüße!

          1. Liebe Jutta,
            der Vergleich zur Hyäne und einer gelbäugigen, fetten Echse drängte sich im Fall meiner Ärgerverarbeitung so sehr auf, dass ich gar nicht anders konnte. Allein das Äußere der Tiere hat erklärt, was ich sonst mühsam hätte beschreiben müssen, sodass die Fabel-Variante passte. „In Fabelhaft“ war übrigens meine erste und bisher letzte Tiergeschichte.
            Aufgefallen ist mir beim Schreiben, dass ich in eine neue Erzählstimme rutsche und auch die Tiere ihrem gemeinen, hinterhältigen Wesen entsprechend reden. So würde ich Menschen vielleicht nicht agieren und miteinander sprechen lassen. Vielleicht versuche ich mal, die Fabel in eine Geschichte mit menschlichen Figuren umzuschreiben, um zu sehen, wie und ob das im gleichen Ton funktioniert.

            1. Liebe Sylvia, mit anderen Erzählstimmen zu experimentieren ist vermutlich immer eine gute Idee. Manchmal, wenn ich einen Ton als sehr fremd, sehr weit weg von meinem eigenen empfinde, dann versuche ich, wenigstens für ein paar Sätze da „reinzukommen“ und bilde mir danach oft ein, dass mein „eigener“ Ton wieder klarer und frischer wird …
              Würde mich sehr interessieren, wie es dir mit deinem „aus Tier mach Mensch“-Experiment ergeht … Herzliche Grüße!

  2. Liebe Jutta,
    ein Beispiel für eine kleine Serie kann ich auch beisteuern. Ich habe einen hier in Warendorf ermittelnden Kommissar „erfunden“, der mit planlosen Aktivitäten in einem mir und meinen potenziellen Lesern vertrauten Umfeld ermittelt und Chaos anrichtet. Dabei ist er durch tpyisch münsterländische Marotten geprägt und gerät immer wieder in Situationen, die mit hiesigen Ereignissen verbunden sind. Das kann das Betriebsfest der Polizei, eine Skulpturenaussstellung oder der Karneval sein. So gibt es immer Schreibanlässe und ich kann eine Figur und ihr Umfeld entwickeln, habe kreative Freiräume aber auch genügend Anschauungsmaterial „vor der Nase“

    1. Lieber Manfred, vielen Dank, dass du zum Erfahrungsaustausch mit „kleinen Serien“ deinen Warendorfer Kommissar beisteuerst. Ich kann mir das als eine sehr reizvolle Möglichkeit vorstellen – gerade wenn die Figur reichlich „paddelig“ ist! Herzliche Grüße!

Ich freue mich über Kommentare!

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