34. Beunruhigen Sie sich – zumindest gelegentlich!

Nils Minkmar hat für die FAZ ein sehr interessantes und ausführliches Gespräch mit Judith Hermann geführt, in dem sie über ihr Schreiben und vor allem natürlich über ihren, dieser Tage erscheinenden, Roman „Aller Liebe Anfang“ spricht.
(www.faz.net/aktuell/feuilleton/judith-hermann-im-gespraech-mein-sohn-findet-meine-aengste-voellig-uebertrieben-13076898.html)

Judith Hermann berichtet in diesem Gespräch von dem Kontrast zwischen der lebensfreudigen Zuversicht ihres 14-jährigen Sohnes, dass schon alles gut gehen werde und ihrer eigenen Besorgnis, „dass die Dinge sich von einem auf den anderen Moment ändern können. (…) Es klingelt an der Tür, und danach ist nichts mehr wie zuvor.“

Wer sich der Gefährdungen, der Bedrohungen unseres Lebens (fast) ständig bewusst ist, wer immerzu sieht, wie alles sich auch ganz anders entwickeln könnte, der hat im Leben vielleicht ein paar Probleme mehr als andere – und mit ein bisschen Glück dafür weniger beim Schreiben. (Wie meistens ist auch hier die Gegenüberstellung von „Leben“ und „Schreiben“ irreführend, aber um der kleinen Pointe willen, habe ich sie mir mal erlaubt …) Wer von der Möglichkeit einer Katastrophe ständig umgeben ist, braucht nicht mehr besonders viel Phantasie, um aus ihr eine  „wirkliche“ Geschichte werden zu lassen.

Und was ist mit den armen Menschen, die hoffnungsvoll und optimistisch ihrer Wege gehen – kann denen denn gar nicht geholfen werden? Ich denke schon 😉 Unabhängig vom Ausmaß unserer Besorgnisse, gibt es doch für jede/n Gedanken oder Vorstellungen, die beunruhigend sind. Und vorsichtig können wir diesen Vorstellungen einmal nachgehen. Mit ihnen spielen. Sie größer oder kleiner werden lassen oder sie unterschiedlichen Figuren „zumuten“. Wichtiger als all die biographischen Details, die wir angeblich brauchen, um eine Figur lebendig werden zu lassen, scheint mir die Frage: Was beunruhigt sie? Und ist ihr das bewusst? Oder ist die Beunruhigung so groß, dass sie an den äussersten Rand des Lebens gedrängt werden muss? Welche Formen nimmt sie dort an?

In diesem Sinne: Beunruhigen Sie sich – zumindest gelegentlich!

2 Kommentare

  1. Hat dies auf Sätze&Schätze rebloggt und kommentierte:
    Über Beunruhigungsgelegenheiten und deren Notwendigkeit schreibt Jutta Reichelt – und nimmt damit Bezug auf einen Roman, der unter- und überschwellig beunruhigend ist. Und auch auf diesem Blog besprochen wird.

  2. Kaum habe ich für ein paar Tage Kinderbesuch, gerät alles ein bisschen durcheinander und prompt kommt es zu einer unbeabsichtigten Leerstelle: Hier sollte schon längst stehen, wie sehr ich mich über dieses Rebloggen gefreut habe …

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