Erfinde eine Figur!

Es gibt Menschen, die die Frage beschäftigt: Was ist bei der Entstehung einer Geschichte zuerst da – Figur oder Handlung? Wobei Menschen, die sich für diese Art von Fragestellungen begeistern können, in der Regel nach dem „Plot“ fragen und vielleicht noch eine normative Verschärfung einbauen: Womit soll man beginnen, mit der Figur oder mit dem Plot?

Diese Frage behauptet die Notwendigkeit einer Entscheidung, die es tatsächlich gar nicht gibt. Manchmal beginnt das Erfinden einer Geschichte mit dem schemenhaften Einfall für eine Figur (eine Frau, die in einer Reinigung arbeitet), manchmal ist es eher ein „Geschehen“, das sich abzuzeichnen beginnt (ein Mann oder eine Frau, die fürchten, ihr Sohn, ihre Tochter  könne jemanden getötet haben).

Schon bei diesen Beispielen wird deutlich, dass die Unterscheidung schnell künstlich wird, denn Figuren sind ja zu einem großen Teil „was sie tun“, wie sie handeln. Fast immer ist es ein Wechselschritt: Je mehr wir über unsere Figur „wissen“, desto klarer zeichnet sich auch ab, mit welchen Widrigkeiten oder Herausforderungen sie konfrontiert sein könnte. In welchen Szenen oder Ereignissen ihre spezifischen Eigenarten am gelungensten zum Ausdruck kommen, welche Steine wir ihnen auf welchem Weg vor die Füße legen könnten.

„Erfinde eine Figur!“ ist eine Einladung, mit Figuren zu spielen. Ihnen probeweise Eigenschaften und einen Alltag zu erfinden und vielleicht zeichnen sich dann auch schon ein, zwei Schwierigkeiten ab, die uns die Richtung eines möglichen „Plots“ weisen. Vielleicht auch nicht.

Die englische Autorin Zadie Smith hat zahlreiche Kolleginnen und Kollegen genau dazu aufgefordert – eine Figur zu erfinden. Der daraus entstandene Sammelband „Das Buch der Anderen“ (dt. 2009), mit dem sie Geld für ein soziales Projekt gesammelt hat, ist ein schönes Beispiel dafür, wieviel jemand erzählen kann, der eine Figur gefunden hat …

Wenn Sie mögen, legen Sie eine kleine Sammlung erfundener Figuren an. Oder Sie bleiben bei einer Figur und schreiben einige kleine Skizzen, bei denen Sie die Orte variieren oder die Tageszeit. Oder Sie schildern die Begegnung ihrer Figur mit anderen Personen. Vielleicht sind es beiläufige Episoden. Kleine Annäherungen. Vielleicht könnte es ein Anfang sein …

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