Die drei Phasen des kreativen Schreibprozesses

schreibprozess_phasenWeil ich bei den Teilnehmer.innen meiner Kurse nicht im Ruf stehe, ihre kreative Energie durch zu viel Struktur/Ordnung/Regeln abzuwürgen, wollte ich sie mal überraschen – mit einer Tabelle! Und damit das auch eine rechte Herausforderung für mich wird, habe ich versucht, alles unterzubringen, was mir wichtig scheint am Schreibprozess . Das „kreativ“ darf man dabei nicht zu erst nehmen: Einerseits gilt vieles davon auch für nichtfiktionale Texte, andererseits sind ja die meisten Schreibprozesse kreativ.

Was mir immer wichtiger scheint, je länger ich über das Schreiben nachdenke: Den Prozess als Teil der kreativen Herausforderung zu begreifen. Also: Lösungen nicht nur für „Textprobleme“ zu suchen („Warum versteht das immer noch kein Mensch?“), sondern auch für „Schreibprobleme“ („Warum löst das Schreiben so selten wirkliche Freude bei mir aus? Wie könnte ich das ändern?“)

Ich freue mich sehr über Nachfragen, Anregungen, Widerspruch!

15 Kommentare

  1. Widerspruch oder Anregungen kann ich dir nicht da lassen (will ich auch gar nicht). Was ich interessant finde, weil das etwas ist, dass für mich und meine Schreibprozesse den Tod bedeuten würde, ist der Tipp mit der Visualisierung. Das würde mir persönlich alles zerschlagen, weil ich so was als zwei komplett unterschiedliche Dinge wahrnehme, für mich subjektiv, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun und verbindet sich in meinem Kopf nicht. Was mir stattdessen helfen kann, nicht immer, und von daher vielleicht auch für andere, die mit Visuellem nicht können passen könnte ist konsequent Arbeitsjournal, das wird irgendwann intuitiv. Menschen, die mit dem Visuellem gut klar kommen, kommen vielleicht damit nicht gut zurecht. Es gibt eben verschiedene Typen (auch wenn man das vielleicht als angehender Schreiber nicht unbedingt sehen will) und keiner macht es „falsch“, jeder hat eine eigene Art.

    Was ich allerdings sehr brauchbar finde ist der häufige Irrtum in der Mittelspalte. Daran scheitern vieles und viele. Allerdings ist mir auch schon der Schreiber-Typus begegnet, der in der Phase meinte, geht er/sie/(es halt nach Amazon/Tolino oder Selfpublishing, wenn kein Verlag sein/ihr irgendwann fertiges Manuskript will. Ich sage nicht, dass das per se falsch ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden was er/sie/es will, aber es ist besonders in der zweiten Phase ein Stolperstein.

    1. Das finde ich sehr spannend! Ich bin nicht sehr zufrieden mit dem Begriff „Visualisierung“, aber mir fällt kein besserer ein – insofern könnte es auch sein, dass es eventuell ein Missverständnis ist, denn ich meine das wirklich sehr weit gefasst. Worum es mir geht: bei umfangreicheren Erzählprojekten ist es oft schwierig, die innere Logik des Textes, seine Struktur zu erfassen. In Workshops lasse ich mir von den TN oft alles wichtige diktieren (Figuren, Orte, Handlung, Beziehungen, Veränderungen usw.) und versuche das alles irgendwie auf einem großen Blatt unterzubringen. Und sehr oft ist das hilfreich. Manchmal ist es auch „nur“ ein Zeitstrahl oder Handlungsbogen. Was mich jetzt wirklich sehr interessiert: Würdest du auch so etwas für dich als kontraproduktiv empfinden oder lag es an meiner nicht glücklichen Wortwahl?

      1. Deine Wortwahl ist okay und ich verstehe auch was du meinst. Ich kann mit Zeitstrahl und Handlungsbogen (auch Mindmap und Cluster) nicht, das muss bei mir alles von selber zusammen treffen, sonst ist es der Tod. (Kleines Beispiel aus einem Projekt: Da tauchte irgendwann für mich unerwartet ein neuer Strang auf und ich dachte bewusst Was ist das denn jetzt? Was soll ich damit? Das hat doch mit der Handlung gar nichts zu tun., aber das war des Pudels Kern. Das ist der antagonistische Punkt um den sich letzlich fokussiert werden kann, nur nicht offensichtlich und weil es nicht offensichtlich geht. Allerdings arbeite ich ja bekanntlich auch weniger mit Handlung als solcher und mehr mit Atmosphäre und dergleichen.)

        1. Du rennst ja sowieso bei mir offene Türen ein mit dem Hinweis, dass kein Tipp, keine „Regel“ immer und für alle stimmt oder gilt und was du beschreibst, leuchtet mir vollkommen ein!

  2. Schöne Tabelle, gefällt mir, sehr anregend. Aber wie um unser aller Schreibgott willen bist Du auf die Idee gekommen, unter den Punkt „Überarbeiten“ ein „kein Muss“ zu setzen?? Natürlich ist das ein Muss 🙂 Nicht umsonst lautet mein Lieblings-Zitat zum Thema von Hemingway: „Der erste Entwurf ist immer scheiße!“ Liebe Grüße und meinen herzlichen Dank!

    1. Ach gut, dass du darauf hinweist! Ich wollte die Tabelle unbedingt auf einer Seite hinbekommen, deswegen fehlen ein paar Erläuterungen 😉 Was mir tatsächlich wichtig ist: Es gibt viele Tätigkeiten (singen, joggen, jonglieren), die wir „einfach so“ machen können, weil sie uns Freude machen oder die wir mit dem Anspruch betreiben können, besser werden zu wollen. Beides ist vollkommen in Ordnung und niemand würde uns kritisieren, wenn wir ohne Wettkampfabsichten zweimal die Woche joggen gehen. Beim Schreiben scheint es für viele diese Option nicht zu geben. Dabei kann das Schreiben auch einfach Spaß machen. Und wir sollten ihn nicht dadurch vertreiben, dass wir immer alles verbessern und überarbeiten müssen. Müssen wir nicht. Können wir aber – und sollten wir natürlich tun, wenn wir auf Veröffentlichung z. B. wert legen … Insofern: Kein Verstoß gegen die Schreibgott-Gebote 😉

  3. Danke für den Beitrag – neben den Zeichnen schreibe ich ja auch, allerdings fehlt mir da die Struktur und ich mach das immer sehr nach dem Gefühl (wie mit dem Zeichnen eben). Hoffe das ich da jetzt ein wenig mehr Ordnung rein bringen kann (zumindest beim kreativen Prozess der „Geburt“ der Geschichte).

    1. Vielen Dank für die freundliche Rückmeldung! Mit der Struktur, das ist wirklich eine erstaunliche komplizierte Angelegenheit, weil man ihr Auftreten oft nicht erzwingen kann – ganz unabhängig davon, wie wichtig oder notwendig sie zu sein scheint. Ich bin auch in meinen eigenen Schreibprozessen immer wieder überrascht davon. Insofern: Nur nicht die Nerven verlieren und dranbleiben 😉 Herzliche Grüße!

  4. Danke für diese Übersicht! Für mich war eine sehr wichtige Erkenntnis in einem Schreibworkshop: ich bin eher strukturschaffend als strukturfolgend. Ich schreibe drauf los und der Text entwickelt sich und der Kreis schließt sich und ich habe Spaß :-). Wenn ich mir vorher einen Plan machen würde, hätte Null Bock den dann tapfer abzuarbeiten… 😉 daher würde ich eher nicht vorher visualisieren, aber zum überarbeiten nachträglich schon.

    1. Just nachdem ich diesen Kommentar geschrieben hatte, legte ich mich schlafen. Meine Gedanken blieben an einem kleinen Stückchen Idee hängen, das mir schon lange durch den Kopf geistert, und mir ist in dieser schlaflosen Nacht die Geschichte rund um dieses Motiv und fast der ganze Plot einfach eingefallen; vielleicht mein erster ernsthafter Romanversuch!
      Vor allem aber habe ich mich am nächsten Tag früh gleich hingesetzt und eine Timeline visualisiert… Fazit: sag niemals nie 🙂

      1. Ich war verreist und habe, als ich deinen ersten Kommentar las, gedacht: Wenn ich zurück bin, schreibe ich, dass ich das gut verstehen kann – und dass es sich manchmal auch von Text zu Text verändert (so ist es z. B. bei mir). Insofern ist das jetzt wirklich ein sehr, sehr schöner Zufall – vielen Dank, dass du ihn hier notiert hast! Und wenn du magst, schreib doch gelegentlich mal, wie es weitergegangen ist mit dir und dem Romanversuch …

Ich freue mich über Kommentare!

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