Das größte Problem beim Schreiben …

Ich erlebe sehr oft Menschen, die unzufrieden sind mit ihrem „Schreiben“, mit ihren Text-Entwürfen oder die irgendwo „feststecken“. Und die dann, obwohl es sich um sehr unterschiedliche Arten von Schwierigkeiten handelt, überzeugt sind, dass die Ursache einfach zu indentifizieren ist: Sie können einfach nicht schreiben. Oder nicht so wie andere. Oder nicht so, wie es notwendig wäre. Diese Erklärung hat einen einzigen Vorteil: Sie funktioniert immer. Dabei ist sie (nahezu) immer falsch.

Sofern wir „alphabetisiert“ sind, können wir schreiben, so wie wir auch sprechen können. Oder gehen. Dass wir gehen können, bedeutet nicht, dass wir uns nicht verlaufen könnten oder dass wir uns nicht irren könnten über die Herausforderungen, die uns auf einer bestimmten Strecke erwarten. Oder dass wir eine längere Etappe in mehrere kürzere unterteilen müssen usw.

Viele Menschen unterschätzen, dass das „Schreiben“ ein Prozess ist, der aus unterschiedlichen „Arbeits-Schritten“ besteht, die jeweils ihre eigene Logik des Gelingens haben. Wenn ich zum Beispiel regelmäßig Beiträge für einen Blog (oder was auch immer) schreiben möchte, brauche ich Ideen. Wenn mir diese Ideenfindung nicht leicht fällt, ist es meistens keine gute Idee, den Rechner anzuschalten, auf den Monitor zu starren und (zunehmend) verzweifelt auf eine Idee zu „warten“. Vermutlich wäre es hilfreicher, sich auf anderen Blogs umzusehen und vor allem den Gedanken an den Blog möglichst mit durch den Tag zu nehmen – und mir Notizen zu machen, sobald etwas, das einmal eine Idee werden könnte, durch meinen Kopf weht.

Ein großer Schritt, um sich aus „Schreibproblemen“ zu befreien, liegt daher in der Erkenntnis, worin genau das aktuelle Problem denn eigentlich liegt: Habe ich keine Idee? Habe ich mich „verlaufen“ und weiß nicht mehr so recht, wo ich hin will? Weiß ich zu wenig über die „Textsorte“, mit der ich es gerade zu tun habe? Habe ich Angst, dass meine Überlegungen banal sind, während alle anderen ständig kluges Zeug von sich geben? Habe ich eine Idee, finde aber keinen Anfang?

Für letzteres gibt es eine sehr einfache und wirkungsvolle Lösung: Man darf mit dem Schreiben auch mittendrin anfangen. Mit jedem beliebigen Satz oder Gedanken. Sortiert werden kann später. (Und manchmal ist es dann sogar ein ganz guter Anfang …)

Und was ist, wenn der rote Faden fehlt? Verloren gegangen ist oder sich nie so richtig klar gezeigt hat?

Mir hilft dann meist, auf einem großen Blatt alle Begriffe und Themen (oder bei literarischen Texten: Figuren und Orte) aufschreiben, die mit dem Text zu tun haben und zu überlegen: Wo gibt es Verbindungen? Was liegt auf einer Ebene? Was ist „größer“, bzw übergeordnet? Was steht für mich im Zentrum? Was darf auf keinen Fall wegfallen? (Bei literarischen Texten: Welche Szenen sehe ich klar vor mir? Was muss in dem Text auf jeden Fall „passieren“?

Was macht ihr, wenn ihr „feststeckt“? Was hat sich bewährt? Freue mich wie immer über Austausch und Anregungen!

8 Kommentare

  1. Liebe Jutta,
    mein Tipp klingt jetzt wahrscheinlich völlig banal:
    Ruhe bewahren, weiter machen! Aber mit etwas anderem.
    Wenn ich in einer Geschichte feststecke, ist es sonderbarerweise immer wieder gut, statt dessen eine andere zu schreiben. Mitunter zeigt sich da eine andere Seite des Themas, die mir nicht bewußt war, in einer anderen Form oder Stimmung oder Perspektive, ganz überraschend schleichen sich da Gedanken ein, von denen ich bis eben gar nicht wußte, dass ich sie habe. Und das hilft oft auch in der Hänger-Geschichte weiter. Oder ich erzähle sie eben anders. Ist natürlich nichts für Kontrollfreaks oder Menschen, die unter Zeitdruck produzieren müssen. Oder vielleicht gerade doch. Manchmal ist es aber gar nicht so leicht, loszulassen und etwas anderes zu tun. Vielleicht sollte ich mir meinen eigenen Tipp über den Schreibtisch hängen.
    S.

    1. Liebe S., nein, dein Tipp klingt überhaupt nicht banal, und er entspricht absolut meiner eigenen Schreiberfahrung. Aber genau die muss man man vielleicht haben, um die Ruhe zu bewahren – Schreiberfahrung. Wer das „Prozesshafte“ des Schreibens immer wieder erlebt hat und auch erlebt hat, dass ziehen und zerren und wüste Beschimpfungen nichts helfen und wer umgekehrt die schöne Erfahrung gemacht, dass „die Lösung“ oder jedenfalls eine Idee, wie es gut weitergehen könnte, sich eher unverhofft einstellt und am ehesten noch dann, wenn wir nicht danach suchen, der oder die ist vermutlich nie so vollständig verzagt, wie es manche sind, die mit dem Schreiben erst beginnen … Heute ganz besonders herzliche Grüße!

  2. Zugegeben, dieses ist nicht der erste Beitrag von dir, zu dem ich gerne etwas sagen würde, aber ich kann es nicht. Ich ziehe meine Projekte nicht durch, und wenn ich feststecke, dann fange ich neu an. Ich bringe selten, besser gar nichts, zu Ende. Zuviel Input, zuviele Geschichten, zu viele Ideen 🙂 .
    Von daher schreibe ich meinen Blog leidenschaftlich gerne aus dem Ärmel, unverbindlich, improvisiert, aber mit einem Hintergrund, den ich nicht verraten werde, und eine Idee, die sich durchziehen wird. Und wenn ich feststecken sollte, dann wird das wohl alles wieder austrocknen, und eine unattraktive Webadresse werden.
    Ich staune immer über die Disziplin, den Weitblick und die Konsequenz mit der andere Menschen ihre Werke projektieren. Ich schaukle mein Projekt solange wohlwollend in meinen Armen, bis der Broterwerb und ähnlicher tägliche Stress mich zwingt, es fallen zu lassen. Ich nehme es danach nie wieder hoch 🙂

    1. Ich wünschte, es gäbe mehr Menschen wie dich! Etwas „diszipliniert zu Ende bringen“ ist ja kein Wert an sich und wenn die Freude an einer Betätigung schwindet, warum sollte man sie dann nicht durch eine andere ersetzen, die zu diesem Zeitpunkt Freude bereitet? Immer mal wieder begegne ich Menschen in meinen Kursen, denen ich gerne nahelegen würde, mit dem Schreiben aufzuhören. Nicht, weil ihnen das „Talent“ fehlen würde (an das ich ja sowieso nicht so recht glaube) oder die Phantasie. Aber sie finden nicht zu einer Freude am Schreiben. Es ist vor allem Mühsal und Last. Und dann beschimpfen sie sich, weil sie wieder nichts geschafft haben, nicht weitergekommen sind.
      Was mir auch sehr gefällt, ist dein Satz:Ich schaukle mein Projekt solange wohlwollend in meinen Armen, bis der Broterwerb und ähnlicher tägliche Stress mich zwingt, es fallen zu lassen. Im Alten Testament steht: Alles hat seine Zeit. Und manchmal fügen sich auch später Dinge noch zusammen – also, für mich bleibt es bei meinem Eingangssatz …

      1. Ich musste schmunzeln. Das war nett. Ich war etwas verwundert. Es gibt Menschen, die sich mit dem Schreiben beschäftigen, ohne eine Freude an dem reinen Vorgang zu empfinden?
        Ich bin überrascht. Schreiben ist pures Handwerk. Man kann es lernen, beherrschen, Tricks finden, und einen Stil erfinden. Es ist wie ein Instrument spielen. Und ähnlich wie bei einem Instrument, macht die Beherrschung Freude. Die Tatsache, das man mit etwas Übung Dinge zusammenfügen kann, die gar nicht zusammen gehören.

        Schreiben ist wie mit Farben spielen. Ich vertreibe mir momentan gerade mit einer Hardboiled-Story die Zeit, spiele mit der Unmoral, der Personen, der Ungehörigkeit der Handlung,und der Tatsache, dass ich scheinbar moralisches Empfinden mißachte. Das macht unglaublich Spaß eine Farbe aufzunehmen, die das Schreiben, das Spiel mit Worten bietet, und dann mit ihr Dinge zu tun, die man nur tun kann, wenn man sich immer wieder damit beschäftigt.

        Um es mal anders zu sagen: Wenn ich es schaffe, das jemand die schuppige Haut eines Drachens vor seinen Augen sieht, wenn ich ihn beschreibe, oder den Schweißgeruch eines Sumpfbewohners zu riechen glaubt, dann ist das geil. So einfach wie möglich und dennoch so nahe wie nötig an etwas ranzukommen. Und das Dumme ist: Heute möchte ich den Drachen beschreiben, und morgen wie ein strauchelnder Detektiv verschwitzt durch die Sümpfe hetzt. So wird nie etwas fertig. Also lass die anderen ruhig am reinen Fabulieren verzweifeln, da kommt wenigstens etwas dabei raus :-).

        1. Also zunächst und sehr ernstgemeint: Meinem Eindruck nach sind wir im „normalen Leben“ schon so oft der Forderung ausgesetzt, die Dinge zu beenden oder in anderer Weise „diszipliniert“ zu sein, dass wir uns da, wo wir können, wie wir wollen, nicht auch noch disziplinieren sollten.
          Unabhängig davon habe ich bei mir, aber auch bei anderen schon oft erlebt, dass es auch eine „Frage der Zeit“ ist, bis etwas so weit ist. Gerade lektoriere ich einen Fantasy-Roman, der mich sehr begeistert (eigentlich nicht mein Genre), geschrieben von einer Frau, die zuvor noch nie einen Roman beendet, aber acht oder neun begonnen hatte …
          Aber wie gesagt, auch wenn es nicht dazu kommt, scheint mir alles in bester Ordnung zu sein – solange man sich selbst nicht etwas anderes wünscht …

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