Wenn wir keine Idee für eine Geschichte haben …

… dann haben wir meist nicht zu wenig, sondern zu viel im Kopf. „Mal irgendetwas zu schreiben“ ist viel schwieriger, als wenn wir die „Fülle alles Möglichen“ einschränken:

Ein Paar in einem Café. Oder: Ein Mann in einem Café, der jemand erwartet.

Oder – wo auch immer – eine Frau, die sagt: „Jetzt  reicht es mir! Ab jetzt werde ich …“

Ein Mann, der eine fixe Idee entwickelt.

Wenn ich in Schreibkursen solche Szenen anbiete, und dazu auffordere dazu „drauflos“ zu schreiben, dann sehe ich fast immer in Gesichter, in denen sich Unsicherheit und Skepsis spiegeln. Und jedes Mal falle ich darauf rein und denke voller Schreck: Diesmal wird ihnen nichts einfallen. Sie werden eine halbe Stunde dasitzen und sich zunächst winden und später wird vielleicht B. fragen, ob ich nicht noch eine andere, bessere Anregung hätte. Ich höre, wie D. ihn zurecht weisen wird für seinen unfreundlichen Ton – zumal ich ja doch sonst meist ganz gute, recht ergiebige Schreib-Vorschläge gemacht hätte, wird I. ihr beipflichten.

Während ich mich diesen düsteren Gedanken hingebe, haben die Teilnehmer_innen längst begonnen zu schreiben. Und auch, wenn das jetzt wie eine etwas sehr schlichte Pointe daherkommt: Dieselben Teilnehmer_innen, die mir zu Beginn der Werkstatt tief bekümmert mitgeteilt haben, dass ihnen leider NIE etwas einfällt, finden kein Ende und schreiben mit hochrotem Kopf weiter, als ginge es um ihr Leben. Schön ist das …

Wenn Ihnen nicht einfällt, schlagen Sie doch mal ein Buch aus Ihrem Regal auf und blättern Sie darin. Und sollte es ein Band mit Kurzgeschichten sein, dann richten Sie Ihre Aufmerksamkeit besonders auf die ersten Sätze. Erste Sätze sind oft deswegen so großartige Schreibanregungen, weil ihre Aufgabe genau darin besteht: uns auf eine Spur zu setzen und gleichzeitig (fast alles) offen zu lassen.

Heute gibt es drei zur Auswahl:

„Es war Morgen, James Douglas wachte auf und hatte Angst.“ (Paula Fox)

„Es ist Samstag Abend.“ (Herta Müller)

„Es wäre doch schön, sagte meine Mutter gerne, es wäre doch schön, wenn wir …“

(Der ist von mir und wer möchte, kann hier weiterlesen: http://www.literaturhaus.ch/literaturhaus/textdesmonats/es-waere-schoen-von-jutta-reichelt)

Noch ein letzter Tipp: Wenn es Ihnen schwer fällt, mit dem Schreiben zu beginnen, wählen Sie eine der Anregungen aus (oder eine Idee, die Ihnen durch den Kopf geht) und treffen Sie mit sich selbst folgende Vereinbarung: Sie haben eine Stunde Zeit. Setzen Sie sich mit einem Blatt Papier oder einer leeren Datei an einen Ort, der Ihnen zum Schreiben geeignet erscheint. Sie müssen nicht schreiben – aber Sie dürfen auch nichts anderes tun. Probieren Sie es aus! Und wenn Ihnen eine Stunde am Anfang zu lang ist, versuchen Sie es mit einer halben …

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