Ohne dass wir die Regeln formulieren könnten, wenden wir sie (meist weitgehend) problemlos an, wenn wir in unserer Muttersprache sprechen. Und sehr oft wissen wir gar nicht, dass wir eine Regel anwenden. So ähnlich ist es auch mit dem Schreiben von Geschichten: Sehr viele Regeln, sehr viel „verstecktes Wissen“ haben wir schon dadurch erworben, dass wir tausende von Geschichten gehört, gelesen und gesehen haben.
Wir haben eine Vorstellung davon, was Spannung ist oder wie es sich anfühlt, wenn wir jemanden mit dem, was wir erzählen „auf eine falsche Fährte“ locken. Wenn uns jemand gegenübersitzt spüren wir meist sofort, ob er oder sie uns noch gerne zuhört oder ob er sich zu langweilen beginnt.
Meine Erfahrung ist, dass wir dieses (verborgene) Wissen nutzen und anwenden lernen müssen, wenn wir Geschichten schreiben wollen, die auf Interesse stoßen. Die Tipps der Schreibratgeber (Konflikt! Wendepunkte! Entwicklung!) sind zumeist ja nicht falsch und helfen manchen Schreibenden auch weiter, aber oft ergeben sich mit oder aus ihnen auch (erst) neue Probleme. Weil Schreibende sehr oft Schwierigkeiten haben, das „allgemeine“ Gelesene auf das „konkrete“ Geschriebene des eigenen Textes anzuwenden – und weil es leider kaum eine Regel gibt, die wirklich immer gilt.
Deswegen bleibt uns nichts anderes übrig, als immer besser, immer konkreter herauszufinden, was für einen Text, was für eine Geschichte wir „eigentlich“ schreiben wollen. Oder was mit dem Text, mit der Geschichte, die wir geschrieben haben, vielleicht noch nicht ganz stimmt. Noch nicht gut ausbalanciert ist.