Pingpong-Text: Mitschreiber:innen gesucht!

Liebe potentielle Mitschreiber:innen, das ist der Auftakt-Text und Ihr seid herzlich eingeladen, auf ihn mit eigenen Texten zu reagieren. Alles, was Ihr dazu wissen müsst, findet Ihr in meinem gestrigen Post (53) Pingpongtexte. Für das Beitragsbild habe ich einige Worte markiert, die ihr zum Beispiel aufgreifen könntet, aber natürlich müsst Ihr das nicht! Ihr könnt auch andere Worte, eine vage Stimmung, eine unbestimmte Assoziation aufgreifen. Falls Ihr Fragen habt, stellt sie bitte nicht als Kommentar hier, sondern in dem gestrigen Beitrag. Hier sollen in die Kommentare wirklich nur die Text-Reaktionen. Diese sollten nicht viel länger als meiner sein (also als grobe Orientierung nicht mehr als 150 Worte). Ihr könnt sehr gerne auch mehrfach reagieren und wenn Euch jemand zuvorgekommen sein sollte, könnt Ihr Euren Text dennoch gerne (evtl. mit einem Hinweis auf welchen Text er sich bezieht) in die Kommentare schreiben). Falls es technische Herausforderungen geben sollte, werde ich mich um eine Lösung bemühen!

Sie wollte das Wort nicht in den Mund nehmen. Sie konnte es ja selbst nicht mehr hören. War froh, wenn es ihr aus dem Kopf herausfiel, wenn sie nicht daran dachte. Abends passierte das manchmal, wenn sie eine Serie sah, in der es noch kein … (aber das war doch jetzt auch kindisch, wenn sie es nicht aussprach, als wäre damit irgendetwas gewonnen) … also … jetzt hatte sie den Faden verloren. Faden … Sie erinnerte sich an eine lange vergessene Handarbeit (was war es bloß gewesen?), die sie in der Grundschule hatte anfertigen müssen. Sie erinnerte sich an schwitzige Finger und wie alles immer enger und strammer geworden war, wie sie immer mehr Kraft aufwenden musste, bis schließlich der Faden riss. Eine Tante hatte sie gerettet. Diese Tante spielte Golf und besaß einen Jaguar und neben ihr wohnte der Botschafter eines kleinen afrikanischen Landes. Die Mutter behauptete, er mache der Tante den Hof, aber das stimmte vielleicht auch gar nicht …

34 Kommentare

  1. Diese Tante jedenfalls, Oktavia, hatte noch nie in ihrem Leben irgendwelche Handarbeiten erledigt. Dafür hatte sie Lene. Lene wusch, bügelte, nähte Knöpfe an, Reißverschlüsse ein und verstand sich darauf kuschelige Schals und Mützen zu stricken. Als Tante Oktavia bei einem Besuch ihr verschämt in die Ecke geknubbeltes Machwerk entdeckte, zog sie in ihret unnachahmlichen Weise ihre linke Augenbraue hoch, steckte die Armseligkeit in ihre Handtasche und sagte: „Quäle dich nicht mit solchen Dingen. In drei Tagen kannst du es abholen. Und bring für Lene eine Tüte Lakritzschnecken mit.“ Sie verlor kein weiteres Wort darüber, auch nicht vor ihrer Mutter, die gerade mit dem Teegebäck hereinkam. Nach zwei Stunden stieg sie wieder in ihren Jaguar und brauste davon.

  2. Ich beziehe mich bei meinem Beitrag auf frauhemingistunterwegs Beitrag.

    In ihrer Handtasche lag die verunglückte Handarbeit, welche Tante Octavia nach ihrer Ankunft daheim an ihre Perle Lene übergab. Die ließ sich nicht lange bitten und setzte sich abends an das unansehnliche Stück. Und nachdem sie es aufgetrennt hatte, versuchte Lene die Handarbeit zu einem guten Ende zu bringen. Und tatsächlich: Am zweiten Abend erstrahlte es in einem neuem Licht.
    Wie vereinbart fuhr Alruna am dritten Tag mit dem Fahrrad zu Tante Octavia, um die Handarbeit abzuholen. Und sie staunte nicht schlecht über das Wunder, welches Lene vollbracht hatte. Gut, dass sie eine besonders große Tüte Lakritzschnecken für sie mitbrachte.
    Als Alruna sich das Stück noch einmal genauer ansah, war es ihr, als hätte Lene nicht nur den ursprünglichen Faden darin verarbeitet, sondern auch einen neuen mitverwendet. Es war ihr, als würde das Stück nun etwas besonderes umgeben. Etwas, für das Alruna die Worte fehlten.

  3. Die Mutter behauptete, er mache der Tante den Hof, aber das stimmte vielleicht auch gar nicht …

    Ganz im Gegenteil. In Wirklichkeit war es die Tante, die ein Auge auf den exotischen Nachbarn geworfen hatte. Er war besessen von Jaguaren, das wusste sie. Elegante Jugendstil Statuen standen sprungbereit zwischen den Büschen seines Gartens, Plüschdecken mit dem typischen Fellmuster zierten die Gartenliegen. Der geschmeidige Mann schien sich nicht für die Menschen seiner Umgebung zu interessieren. Er diente der Königin eines geheimnisvollen Reiches, das vom Geist der Jaguare beherrscht wurde.
    Der Jaguar der Nachbarin hatte seine Aufmerksamkeit geweckt und zu dem Missverständnis der Mutter geführt.
    Die Tante hatte einen netten Beruf, nette Freunde und ein nettes Einkommen. Dennoch langweilte sie sich. Auch das Golfen riss es nicht heraus. Insgeheim träumte sie davon, etwas Unerhörtes zu tun.
    Inspiriert von dem seltsamen Nachbarn strickte sie heimlich an einem Jaguaranzug, der ihren durchtrainierten Körper von Kopf bis Fuß bedecken würde. Endlich zahlten sich die unzähligen Stunden aus, in denen sie Yoga und Pilates betrieben hatte.
    Hauteng würde er sich an ihre Glieder schmiegen, ihre ausgeprägten Muskeln würden das jaguarische Fleckenmuster zum Tanzen bringen.
    Eines Tages würde sie sich in der Dämmerung zwischen den Büschen und den eleganten Statuen lautlos zur Terrasse des Botschafters anschleichen und dann…

  4. Das ist Ping-Pong Myriade 1 – Reaktion 1 auf Ausgangstext

    Die Tante lachte über sich selbst. Wie oft war sie in den letzten Tagen und Wochen verärgert und verunsichert vor dem Spiegel gestanden und hatte versucht objektiv zu schätzen, wie alt sie aussah! Anhand verschiedener Kriterien hatte sie die Jahre hinauf und hinunter geschätzt, hatte sich selbst lächerlich und absurd gefunden. Und nun diese zufällige Unterhaltung, die alles wieder zurecht gerückt hatte, ihre Selbstwahrnehmung und die sich anbahnenden Ereignisse.
    Im Nebenhaus hatte sich der afrikanische Familienverband um eine Person erweitert. Um einen äußert attraktiven jüngeren Mann, der offenbar ein Verwandter des Botschafters war. Die Tante ging nun wesentlich häufiger aus dem Haus, blieb aber nicht lange weg, wodurch sie die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung mit dem feschen Mann maximierte. Blicke, Lächeln, Begrüßungen.
    Bei den Begrüßungen begann das Problem. „Bonjour, maman“ bzw „bonsoir, maman“ sagte der Botschafter-Verwandte mit breitem, anregenden Lächeln. Jedesmal zuckte sie innerlich zusammen. Zählte er sie zur Altersklasse seiner Mutter oder hielt er sie für eine besonders mütterliche Person? Beides schien ihr keine ideale Voraussetzung für die kleine Affäre, die sich immer verlockender präsentierte.
    Die Tante lachte noch immer. Gerade hatte sie mit einer Freundin geplaudert, die sich ziemlich regelmäßig im Land des Botschafters aufhielt. Die Freundin hatte darüber philosophiert, wie viel man durch die üblichen Grußformen über eine Gesellschaft erfahren könne. Bemerkenswert fand sie, dass man in vielen afrikanischen Ländern „maman“ als respektvolle Anrede erwachsener Frauen benutze.
    Die Tante beschloss sich häufiger in einer bestimmten Ecke ihres Gartens, die an das Nachbargrundstück grenzte aufzuhalten. Ihrer Überzeugung nach waren Gelegenheiten etwas, was man selbst herbeiführen sollte.

    1. Die Tante lachte…

      “Was hast du da? “, fragte das Mädchen und deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Ausschnitt der Tante. Diese trug, den Gepflogenheiten einer pfälzischen Kleinstadt in den 50er Jahren gemäß, eine Art Dirndl-Kleid mit einem großen Ausschnitt, der die Ansätze ihrer üppigen Büste über dem Mieder sehen ließ. Zwischen den Brüsten klaffte ein dunkler Spalt, der die 6-jährige beschäftigte. Den Anblick kannte sie nicht von den Frauen in ihrer Familie, die in bildungsbürgerlich hochgeschlossenen Blusen durchs Leben gingen. Natürlich hatte sie zuerst Mutter und Oma gefragt, als sie über das Wochenende vom Kinderheim ins Elternhaus abgeholt worden war. Doch die verstanden nicht, worauf sich ihre Forschen bezog und ermunterten sie, die Tante selbst fragen.
      Auch die Tante begriff nicht, was das Kind von ihr wollte, doch die Kleine insistierte und deutete immer unmissverständlicher. Was für schamlose Fragen die Kinder heutzutage stellen, dachte die Tante und lachte verlegen.
      “Das ist eine Narbe”, antwortete sie schließlich in einem Ton, der keine weiteren Nachfragen duldete. Das Mädchen erschrak zutiefst, was war passiert? Sie wusste, über so etwas sprach man nicht. Aber der große dunkle Spalt konnte nur von einer schlimmen Verletzung zeugen, oder? War die Tante krank? Die unbeantwortbaren Fragen nährten ihr vages Gefühl von Unsicherheit in der Welt der Erwachsenen

      1. Kindisch hatte sie das Mädchen genannt. Und unreif. Sie hatte es nicht verstanden, als sie davon sprach, dass die Stimme der Tante orange war. Und die Wolke über ihrem Kopf ein dunkles, grollendes Schwarz. Wenn sie kindisch sagte, flog aus ihrem Mund eine braun-grüne Wolke, die langsam im fahlen Weiß zerfaserte. Die Leiterin im Kinderheim hatte dunkelblaue Hände, was manchmal gut war. An denen Tagen aber, wenn die Farbe ins Lilafarbende wechselte, hatte sie Schmerzen. Dann half nur das sanfte Gelb von der dicken Marie. Aber die war jetzt fort. Dafür kam jetzt Ferdi nachts in ihr Zimmer und nahm sie in den Arm. Dafür hatte sie keine Farben. Und Fragen wollte sie nicht mehr. Sie weinte rote Tränen.

  5. … und was sollte das auch heißen: „den Hof machen“. Das ist eine merkwürdige Redewendung. Dass Worte, nur durch ihre Kombination, so schnell die Bedeutung wechseln können, erstaunte sie immer wieder. Sie schüttelte ein wenig den Kopf. Wieder war dieses Wort in ihrem Kopf. Wie könnte. Sie es nur hinaus bekommen. Es auszusprechen, würde es nur um so tiefer in ihrem Kopf verankern. Vielleicht sollte sie es hinausniesen, dachte sie und musste dabei lächeln. Aber dann in die Ellenbeuge, ermahnte sie sich selbst und grinste dabei, obwohl es eigentlich nichts zu lachen gab. Wieder wunderte sie sich, über die vielen verschiedenen Schichten des Verstehens. Wo war Sie gewesen…

    1. Wo war sie gewesen, als zum ersten Mal ein Wort so quer in ihrem Kopf steckte? Das war doch noch nicht lange her. Oder? Mit der Zeit war das auch so eine Sache. Die stand auch oft quer, seit… Ja seit – also, nun war der Faden wieder gerissen. Tief Luft holen, das hilft immer, das hatte schon ihre Oma gesagt, in allen denkbaren Lebenslagen. Anfangs hatte sie sich darüber lustig gemacht. Überhaupt wurde die krause Oma, wie sie wegen ihrer Dauerwelle und in Abgrenzung zur Oma Pony hieß, von den anderen auch oft belächelt. Wie sie da saß, aufrecht und klein, in ihrer Sofaecke unter dem gestickten Bild. Sonnenblumen und… Sie winkt ab. Ich mochte das Bild nie. Hab es ihr nie gesagt. Auch etwas, das nicht über ihre Lippen gekommen war. Wieder ein Lächeln.

      1. Sie hatte schon eine, auf eine ganze besondere Art, irgendwie komische aber auch schöne Familie. Ihr Lächeln wurde immer breiter, bis sie merkte, dass sie mitten im Raum stand und wieder nicht wusste, was sie gerade machen wollte. Ihre Gedanken kamen ihr heute vor, wie ein paar Sturmwolken, die blindlings auf den Horizont zu rasten und sich einfach nicht einfangen ließen. Es musste doch möglich sein, einen einfachen Gedanken auch zu Ende … Was für ein schönes Licht gerade durch das Fenster in den Raum flutete. Wo war sie? Was wollte sie? Das war ja geradezu beängstigend, dachte sie und bekam eine Gänsehaut. Nein, nicht daran denken. Aber woran? Oder woran denn dann? Denken oder nicht denken? Irgendwie hatte Sie das Gefühl, sich verdenkt zu haben …

      2. Sonnenblumen leuchten ihr entgegen, im Hintergrund der strahlend blaue Himmel. Fast wie gemalt sieht es aus. Die Sonne ist zu heiß, Schweiß läuft ihr den Rücken hinab. Das T-Shirt klebt am Körper. Der Mann am Feld starrt auf ihre Brüste. Aber kann sie sich dessen sicher sein? Die Unsicherheit überschwemmt sie. Was will sie hier eigentlich? Der ungewissenen Spur folgen, dass sie hier, in diesem fremden Land, ihre ebenso fremde Mutter findet? Nur weil sie dieses Bild gefunden hat – das Bild, das versteckt im alten Sekretär der Tante zwischen alten Briefen steckte. Und wenn sie die Frau findet? Was dann? Ihre Schulter sacken herab. Sie wendet sich ab, stolpert müde über den staubigen Weg. Das Winken des Mannes sieht sie nicht.

  6. Ping-pong zum 1. Text von Jutta Reichelt:

    Vielleicht war Mutter nur neidisch auf Tante Ulla. Es war schon immer eine Rivalität zwischen ihnen gewesen. Zog sich seit ihrer Kindheit durch ihrer beider Leben wie ein roter Faden, der allerdings riss nie. Sehr zum bedauern der Kinder, die unweigerlich zwischen die Fronten gerieten und schon oft geraten waren. Schon als sie klein waren, hatten Leni, Karsten und Elke das erkannt und beschlossen, dieses Spiel nicht mitzuspielen. Schließlich konnte es ihnen egal sein, wer hier wem den Hof machte.

  7. Diese Reaktion auf den Ursprungstext kommt von Maike:

    Jetzt fiel es ihr wieder ein: sie hatten eine zusammenklappbare Hülle genäht, in der Stofftaschentücher aufbewahrt werden konnten. Ihre Tante hatte die Hülle betrachtet und dann in ihre Handtasche gegriffen und eine Packung Papiertaschentücher hervorgeholt. „Jetzt hat sie auch noch so eine „Birkin-Tasche“, nicht genug, dass sie mit diesem Jaguar durch die Gegend fegt wie irgend so ein amerikanischer Filmstar, nein jetzt muss es auch eine Handtasche aus Frankreich sein.“ Ihre Mutter hatte das leise und wohl zu sich selbst gesagt, denn sie waren allein gewesen. In Gegenwart ihres Vaters, sprach sie stets nur in den höchsten Tönen von der Tante. Sie war seine jüngere Schwester und schenkte man ihrer Mutter glaube, konnte eine kleine Schwester machen was sie wollte, der große Bruder würde immer zu ihr halten. Ihre Mutter hatte zwei ältere Schwestern und unter Schwestern schien es sich anders zu verhalten.
    In Gegenwart ihrer Tante verschwand das Wort wie Staubmäuse beim Saubermachen. Mindestens einmal in der Woche besuchte sie sie. Und das Wort, das wie Staubmäuse täglich wuchs, verschwand, wenn sich die Haustür ihrer Tante öffnete, wie Flusen im Staubsauger.

    1. Handttasche

      Die dritte Frau ihres Vaters stand kurz vor der Pensionierung. Sie bekleidete eine gehobene Stellung bei einem französischen Luxuskonzern. Sie liebte ihren Beruf und das Ansehen, das damit verbunden war, und sie liebte es, sich mit luxuriösen Gegenständen zu umgeben. Zum Abschied würde ihr Wunsch nach einer Birkin-Handtasche erfüllt werden.
      Die Tochter schien nicht ermessen zu können, was das hieß. Ariana hielt sie für eine Banause, trotz Studium und Künstlerberuf. Man musste drei Jahre auf die Tasche warten und sie kostete tausende von Euros. Die Tochter gefiel die Tasche nicht einmal, aber sie hielt den Mund.
      Ihr Vater und Ariana hatte ein Haus in einem unbedeutenden Kaff in Südfrankreich gekauft, das von einer Durchgangsstraße brutal geteilt wurde. Seit ein paar Jahren versuchten sie gewaltsam, dem einfachen Dorfhaus den Stempel ihres eklektischen Geschmacks aufzudrücken, und wollten bald ganz dorthin ziehen. Ihr Vater war glücklich, wenn er in dem alten Haus etwas zu basteln hatte, aber hinsichtlich seiner anspruchsvollen Frau war er etwas besorgt.
      Wie wird es ihr gehen, wenn sie keine Aufgabe mehr hat und die Dorfbewohnerinnen die Marke ihrer Kleidung und vor allem ihre Handtasche nicht zu würdigen wissen?
      Die Tochter durchzuckte ein winziger befriedigender Stich von Schadenfreude

  8. Ping-Pong 2. Versuch:
    „Eine Tante hatte sie gerettet.“

    Eine große schlanke Frau mit raspelkurzen schwarzen Haaren, von der sie bis dahin nichts gewußt hatte. Trat in ihr Leben und stellte sich als Schwester ihrer Mutter vor, die nie Kontakt zu ihr gewollt hatte und der es ausgesprochen unangenehm war, dass sie beide plötzlich in der Tür standen und all die Geschichten von früher infrage stellten.
    Fremd war sie. Interessant allemal. Nur Vertrautheit gab es keine.
    Die Mutter wachte mit Argusaugen. Keinen Moment allein gönnte sie den beiden. Zu groß war die Gefahr, das Gesicht zu verlieren -oder einfach ihre Sicht der Dinge aufgeben zu müssen.

  9. Und das ist Ping-Pong Myriade 2 – Reaktion 2 auf Ausgangtext

    An Fäden hängt das menschliche Schicksal. Manchmal weben die Parzen, manchmal lassen sie lose Fäden flattern und nicht selten ziehen sie Stränge aus fertigen Geweben, die dadurch ihre Festigkeit verlieren, ihre Dichte und Flexibilität. Die drei Parzen erfreuen sich an anderem als am Glück der Menschen. Verworrene Gewebe bringen sie zum Strahlen, lange lachen sie darüber, wenn ein Faden schon beim Spinnen zerreißt und in kein Gewebe jemals eingearbeitet wird. Erreichen sie beim Färben besonders abstoßende Farben, so malen sie sich aus, zu welch unglücklichen Leben von Menschen diese Farben führen werden. Gerne bewahren sie aber manche Gewebe, die verfilzt sind, viel kleiner als sie sein könnten und im Wind nicht mehr vibrieren.

    Die Parzen lieben die Menschen nicht. Es ist auch nicht ihre Aufgabe.

  10. Und da war das Wort wieder! Sie konnte zwar nicht sagen welches, aber klobig lag es ihr auf der Zunge. Von ihrem Fernsehsessel aus konnte sie durchs Fenster beobachten, wie ihr schwarzer Nachbar ihr gerade den Hof machte. Er hielt den Blick auf sie gerichtet und lächelte immerzu, während er – ein Fell über der Schulter – anmutig den Besen hin- und herbewegte. Nett war das von ihm … Aber schließlich hatte sie selbst mehr als dreißig Jahre lang den Winarskyhof gekehrt, Schnee geschaufelt und die Stiegenhäuser aufgewaschen, da durfte sie sich schon ein bisserl verwöhnen lassen von dem jungen Verehrer aus … wie lautete das Wort bloß?
    Das Schrillen der Türklingel ließ sie hochschrecken. Sie eilte an die Tür, riss sie auf, sah den dunklen Nachbarn ohne Fell über der Schulter, ohne Besen in der Hand und ohne Lächeln im Gesicht.
    „Zamunda!“, rief sie – endlich war ihr das Wort eingefallen. „Brauche Schlüssel für Waschküche!“, entgegnete der Nachbar.

  11. Pingpong zum 1. Text:

    Die Suche nach dem Faden konnte vom Hundertsten zum Tausendsten führen. In diesem Jahr hatte sie schon öfter das Gefühl gehabt, den Faden verloren zu haben, und selbst wenn sie ihn wieder aufnahm, so wusste sie nicht, wie es in der nächsten Zeit weiterging. Hatte der Faden sich bisher recht vorhersehbar Reihe um Reihe zu einem erwartbaren Gewebe verschlungen, so waren Form und Muster nun nicht mehr absehbar. Ob ein unförmiges Ungetüm dabei herauskommen würde? Und wer würde noch da sein, um es mit ihm aufzunehmen?
    Bestand das Knäuel ihrer Gedanken aus einem einzigen langen Faden, der sich selbst im Weg stand oder aus mehreren Strängen, die fest miteinander verwoben waren und sowieso nie schnurgerade sein konnten?

  12. Ich beziehe mich auf den Ursprungstext von Jutta:

    ein wort in den mund nehmen. nimm es nicht in den mund. wasch es dir mit seife aus. so etwas sagt man nicht. und vor allem junge damen nicht. sitz gerade. sperr den mund nicht auf. hör auf zu schielen. wenn der hahn dreimal kräht. dann bleibt das so. und einen buckel bekommst du auch. wer will ein mädchen, das nicht ordentlich ist. messer, gabel, schere, licht. all das ist für dich nichts. und sieh, das ist für deine aussteuertruhe. gerade sitzen. du musst ordentlicher werden. sticken und stricken. haushalt, bügeln, kochen. die kleine hausfrau. ich habe dir eine schürze genäht. nimm das wort nicht in den mund. wasch es dir mit seife aus. wasch dir die hände. sitz gerade.

  13. Und mit diesem Text beziehe ich mich auf den Text von „anderes Mädchen“

    ein faden lang und dünn
    erbsengrün
    und sonnengelb
    schlängelt sich
    durch
    um
    mein leben
    ich sitze stumm
    und manchmal laut
    und wickel
    um mein leben
    klarheit
    und verwickelung
    die katze
    spielte auch
    damit
    was bleibt mir jetzt
    von meinem faden

  14. Ping-Pong-Text von Jutta Reichelt
    3. Beitrag
    ich hab ja das Gefühl: so richtig läuft das nicht …zumindest nicht zusammen. Aber vielleicht täusche ich mich.
    Saß trotzdem gerade auf dem Balkon und hatte noch diesen Gedanken:

    …sie hatte den Faden verloren, der ihr zuvor endlos schien. Doch. Halt! Sie hatte ihn gar nicht verloren. Er war ihr gerissen. Fast unbemerkt. Entzwei. Zwei neue Enden sind auch zwei neue Anfänge! Welchen davon also aufnehmen? Links? Rechts? Zunächst den einen versuchen, dann den anderen gehen? Das ganze Leben bestand aus Versuchen. Und Versuchungen. Warum nicht selbst welche schaffen! Es müsste doch zu schaffen sein, dem schönen Anfang auch ein solches Ende zu bescheren. Doch die Schere zwischen gut und schlecht klaffte immer weiter auf. Einer Schlucht gleich. In die sie fiel. Fiel und Fiel und keinen Halt fand. Haltlos, aber auch schwerelos. All das Schwere endlich los zu sein, tat so unendlich gut.
    Manchmal
    …war es vielleicht ganz gut, wenn der Faden mal riss.

  15. Dies ist der Text Myriade 3 als Reaktion auf Kain Schreiber Ping-Pong 3

    Anfang, ein schönes Wort für eine wunderbare Möglichkeit. Aber, dachte sie, kein Anfang ist möglich, wenn man mit tausend Fäden angekettet ist, an seine Gewohnheiten an sich selbst, an andere. Müssen die Fäden reißen, müssen sie schmelzen und sich auflösen, muss man dahinter kommen, dass die Fäden eigentlich gar nicht existieren.

    Anfang allein in der Wüste oder mitten im Gewohnten oder gar nicht, weil sich das Gewohnte nicht abschütteln lässt, nicht entwirren, nicht verbrennen nicht aus dem Kopf entfernen. Ein schönes Wort, ja, romantisch verbrämt, aber ist es auch durchführbar mit Tonnen von Fäden, die man hinter sich herschleppt?  

  16. 1. Reaktion auf den Ausgangstext:

    Sie hat irgendwie den Faden verloren, der sich eigentlich durch ihr Leben ziehen müsste, weil sie gesprungen ist. Als sie 10 Jahre und 364 Tage alt war, wurde sie am nächsten Tag nicht 11, sondern 17. Als sie dann 17 Jahre und 364 Tage alt war, wurde sie nicht 18, sondern eher 28. Deshalb ist sie heute eigentlich 18, gefühlt aber schon 28 und verhält sich eher wie Mitte 40. Es fühlt sich an, als hätte sie all das, was vor ihr liegt, schon längst erlebt. Als läge es schon lange hinter ihr. Als hätte sie schon längst studiert, sich ausprobiert, in WG’s gelebt und Abschlüsse gemacht.
    Dabei wohnt sie in ihrer ersten, winzigen 1-Zimmer-Wohnung, muss sich bald an Unis bewerben und weint, wenn sie den Müll rausbringen muss. Das sie weint, kommt auch durch das springen und dadurch, dass der Faden fehlt. Weil sie mit 10 irgendwie 17 und mit 18 irgendwie 28 geworden ist, fehlen ihr die restlichen Jahre. Manchmal fühlt sie sich winzig klein und alles um sie rum fühlt sich zu groß und wichtig an, weil sie irgendwo noch 11 ist.

  17. 2. Reaktion auf den Ausgangstext:

    Reaktion 2:
    Sie ist sieben Jahre alt, sitzt auf dem Boden und schaut ihrer Oma beim stricken zu. Weihnachtssocken in Weinrot und Tannengrün sollen es werden – bis der Faden reißt.
    Sie ist 12 und trägt die Socken in der Schule. Beim Sport zeigen die Anderen auf sie, Stricksocken sind nicht angesagt, die trägt man nicht.
    Sie ist dreiundzwanzig und erinnert sich an ihre Oma und die Weihnachtssocken. Und auch daran, dass der Faden gerissen ist. Inzwischen sind einige der Fäden gerissen, die sie zusammen halten. Der linke Ringfinger baumelt nur noch neben der Hand und das rechte Bein hat sich fast vollständig gelöst.
    Sie ist achtundzwanzig und hat aufgehört, die reißenden Fäden zu zählen. Zu viel ist verloren, kaputt. Nichts was sie noch hält.
    Mit einunddreißig reißt der letzte Faden und das gleiche Weinrot wie damals rinnt in die Wanne.

  18. Ein viel zu langer Pong aus einer viel zu langen schlaflosen Nacht zum Ping: … Faden

    Die Mutter spann den Faden ihrer Erzählung von der verlorenen Zeit vor dem Krieg in leuchtenden Farben vor den sehnsüchtigen Augen ihrer kleinen Tochter. Nichts könnte je so golden sein wie Mutters Jugend.
    Doch unter dem Glanz des Stoffes verbargen sich Risse in Mutters Geschichte, fest verzurrt mit fadenscheinigen Fesseln.
    Das Mädchen spürte die Knoten, ohne von ihnen zu wissen. Gewissenhaft mühte sie sich, aus dem Garn, das man ihr bot, das makellose Lebensmuster zu wirken, das ihre Familie erwartete.

    Doch als das Mädchen zu bluten begann, rissen die mürben Knoten des Flickwerks, und die Mutter stürzte durch die Löcher des Gespinstes aus Lebenslügen und Schmerz in die klaffende Wunde ihrer Weiblichkeit.

    Wie sollte das Mädchen, selbst noch ein Kind, die Mutter heilen, die viel jüngere Schwester beschützen und selbst leben, während die Familie zerbrach? Darüber verlor sie die Fäden ihres eigenen Entwurfs aus den Augen, knipperte, flickte, knotete die Jahre ihrer Jugend am undurchschaubaren familiären Muster.
    So sehr sie sich auch anstrengte, es kratzte und zwickte, es scheuerte und beulte, das familiäre Gewand wollte ihr nicht passen.

    Eines Tages gab sie auf und beschloss, den Pullover ihres Daseins selbst zu stricken. Schon lange entkam sie den quälenden Gedankenschleifen ihrer Seele, indem sie Muster erfand, Schnitte bedachte, Strick Pläne schmiedete. Daraus erfand sie sich ihren Beruf. Der entpuppte sich als roter Faden und führte sie aus dem dunklen Labyrinth in die reiche Farbigkeit ihrer Möglichkeiten.
    An ihrer Mutter Statt bestrickte sie Frauen, versöhnte sie für einen Moment mit ihren weiblichen Körpern.

    Jetzt ist sie 66, und es ist Zeit, den Bildern ihrer Fantasie in unbekannte Gefilde zu folgen. Sie leuchten so vielfältig und farbig wie ihre Strickmuster, doch diesmal bestehen sie aus Wörtern und Geschichten. Sie verstrickt sie in ihr Schreibheft, greift Fäden auf, die in der Tiefe gesponnen wurden und knüpft an einem komplexen Teppich ihres Lebenspfades, auf dessen Töne und Girlanden sie selbst neugierig ist.

  19. Und hier ein Text zum Beitrag von stricken und schreiben:

    schreibend stricke ich träume, ich schicke sie auf die reise, über die sieben meere, die sieben berge, die böse königin kriegt sie nicht, die zwerge tragen sie weiter, der wald ist kalt, meine träume malen sonne und blitzgewitter, bunte tupfen auf deiner haut, wie bunte fäden, die dich umhüllen, dir die einsamkeit nehmen, zupfst du an rot, erscheint ein gelber, neuer faden, wickelst du grün, bebt die hoffnung in dir, meine träume enden nicht, meine fäden ebenso wenig, das blau des himmels ist unendlich, schwarze schwäne begrüßen den tag, der teufel schenkt mir drei goldene haare, die großmutter wärmt den ofen an, kuchenduft erfüllt die luft, wünsche stricke ich dir, schicke sie auf die reise, zu dir, zieh am faden….

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