(9) Geschichtengenerator in Aktion

imageWer schreibt oder anderen kreativen Betätigungen nachgeht, steht immer wieder vor der Aufgabe, neue Zugänge zu Offenheit und Experimentierfreude zu finden. Wo verläuft der schmale Grat zwischen hilfreicher (Arbeits)-Routine und einengender Gewohnheit?

Damit der Geschichtengenerator es sich hier auf dem Blog (und in meinem Alltag) nicht allzu gemütlich macht, werde ich ihn zwar weiterhin seine Karten „ausspucken“ lassen, aber ich werde an manchen Freitagen diese Routine unterbrechen und, so wie heute, andere kleine Anregungen vorstellen – oder auch einfach mal etwas länger an einem Punkt verweilen. Heute im Treppenhaus und das hat gleich mehrere Gründe.

Vor allem möchte ich eine Frage aufgreifen, die in Folge (7) des Geschichtengenerators aufkam, nämlich: Wie kann ich eine reale Alltagsbegebenheit in etwas Fiktives verwandeln, vielleicht sogar in eine Geschichte? Diese Frage ist eine der häufigsten, denen ich in Werkstätten begegne und dort lautet meine Gegenfrage meistens: Warum denn überhaupt? Aber natürlich kann es gute Gründe dafür geben (die anderen Fälle klammere ich einmal aus) und der überzeugendste Grund ist, dass das Reale nicht „ausreicht“, dass irgendetwas daran zwar komisch oder tragisch oder irgendwie besonders ist, dass dem Ereignis aber noch etwas fehlt, vielleicht eine Zuspitzung.

Für die unerfahrene Geschichtenerfinderin ist der Hinweis: „Super! Aber da fehlt noch der letzte Kick!“ so hilfreich wie für den unerfahrenen Koch der Hinweis, er müsse nur noch das richtige Gewürz finden. Aber welches denn?!

Die Ausgangssituation hier auf dem Blog war folgende: Ich hatte in einem Kommentar erwähnt, dass ich mich an Heiligabend einmal ausgesperrt hatte und Birgit schrieb daraufhin:

„Mir ist das mal an Neujahr passiert … unten klingelte jemand, ich raste im T-Shirt das Treppenhaus runter, machte die Haustür auf: Keiner da. Ich trotz A…kälte kurz ums Eck geguckt, saustinkig, weil keiner nach Silvester umsonst um ca. 10.00 Uhr aus dem Bett geklingelt werden will. Zurück vor der Tür: Tür zu, kein Schlüssel. Schnee und Eis und ich im T-Shirt. In dem Moment kommt mein “Obermieter” aus der Tür. Schaut mich an und sagt: “Oh luftig angezogen!” Ich: “Ja, ich habe mich ausgesperrt.” Und bevor ich ihn bitten konnte, mich reinzulassen (und evt. sein Telefon zu nutzen, damit ich für die Wohnung einen Schlüsseldienst holen kann), sagte er nur mitleidig: “Ach, das ist aber schlimm – einen schönen Tag noch!” und ging des Wegs. Der ist wirklich von einem anderen Stern…“

Was für eine super Szene, fanden hausauspapier und ich, was kann man da nicht alles draus machen?! Ja, was denn, fragte Birgit zurück und packte mich an der Expertinnen-Ehre  …

Erste Annäherung: Was ist eigentlch das Reizvolle an der geschilderten Situation? Vermutlich, dass etwas passieren MUSS. Nur dünn bekleidet im Treppenhaus, das wird nicht lange gut gehen. Und gleichzeitig gibt es keine einfache Lösung (also einen im Briefkasten versteckten Schlüssel etwa). Geschichten leben von den Schwierigkeiten, mit denen es die ProtagonistInnen zu tun bekommen und diese Schwierigkeiten unterscheiden sich hinsichtlich ihres „dramatischen“ Potentials. In der Realität mag man vielleicht in dieser Situation schon deswegen nicht bei bestimmten Nachbarn klingeln, weil man sie nicht aus dem Bett holen will. Und wenn man es tut? Kommen sie nach dem dritten Klingeln vermutlich mürrisch an die Tür – oder bleiben liegen. Damit wäre unsere Geschichte so schnell wie langweilig zu Ende gegangen.

Also müssen wir uns etwas einfallen lassen! Vielleicht wäre der Silvester-Abend  geeigneter und unsere „Heldin“ möchte einfach nur allein sein. Dann klingelt es. Vielleicht die Mutter, die nun doch noch mal nach ihr sehen will? Das darf nicht wahr sein! Dann ist da keiner. Und jetzt seid ihr dran! Welche feierwütigen oder sonstwie „unmöglichen“ Nachbarn könnten es unserer Heldin schwer machen, um Hilfe zu bitten? Oder gibt es doch einen Zweit-Schlüssel? Aber wo könnte der sein, dass sie auf dem Weg dorthin ein mittleres Abenteuer zu bestehen hat? Oder fällt ihr ein, dass im Keller … ja, was könnte im Keller sein?

Zweite Annäherung: „Ich muss jetzt … Nein! Unmöglich! Ich kann unmöglich jetzt dahin gehen und xy. Ausgeschlossen! Lieber sterbe ich, als dass ich … “ Auch das ist natürlich immer möglich: Nach Gefühlen suchen, sie „größer“ machen und dann wieder zurück gehen und schauen, in welchen, vielleicht ganz anderen Szenen sie sich unterbringen ließen?

Dritte Annäherung: Was fällt euch ein zu dieser Ausgangsszene?! Nehmt auf, was ihr mögt – ein Detail, ein Einfall, eine Assoziation!

Wer schon länger diesem Blog folgt, weiß von meiner Sympathie für literarisch unterschätzte Orte (hier habe ich in diesem  Zusammenhang über den Supermarkt geschrieben) und dazu zählt ganz sicher das Treppenhaus. Daher also heute die Einladung, das Treppenhaus zu bevölkern. Mit Figuren, die sich ausgeschlossen haben oder nicht. Sich ärgern oder nicht. Es vielleicht ja auch sehr entschiedenen Schrittes durchqueren, auf dem Weg – wohin?!

 

48 Kommentare

  1. Schreck lass nach … da hinterlässt man eine reale Geschichte als Kommentar und Du machst einen Schreibwerkstatt-Beitrag daraus 🙂
    Ich musste gerade so vor mich hinkichern … und das vor dem ersten Kaffee. Ich bin wirklich gespannt, wie die anderen Leserinnen und Leser Deines Blogs die Schlüsselgeschichte weiterspinnen 🙂
    Herzliche Grüße, Birgit

    1. Liebe Birigt, andere müssen für eine solche Exklusiv-Beratung viel Geld bezahlen 😉 Im Ernst: Ich habe das ja früher gelegentlich schon gemacht und möchte es aber gerne noch ausbauen: die Fragen oder Anmerkungen vorhandener Beiträge für neue zu nutzen. Und weil mir diese Frage so oft begegnet und ich überrascht war, dass ich dazu keinen (eigenständigen) Post hatte, musste ich bei dieser vielversprechenden Ausgangssituation einfach zugreifen … Jetzt bin ich auch sehr gespannt, ob jemand uns die Freude macht? Hoffe sehr, dass es mit dem Kaffee dann noch geklappt hat! Fröhliche Grüße!

      1. Beim Stichwort Geld hört bei der Schwäbin der Spaß auf 🙂 Mir zahled nix 🙂 Quatsch, nur Blödelei, mich sticht die Frühlingssonne. Hoffe trotzdem, dass die Silvester-Geschichte mit Eiseskälte noch Schreibende animiert 🙂

      1. … genau – pling 😉 Ich habe bei mir die Erfahrung gemacht (und sie seither oft bei anderen bestätigt gefunden), dass ich nach dem Pling früher lange suchen musste und es mir heute sehr oft begegnet. Anders gesagt: Wir nehmen die Welt und ihr „dramatisches“ Potential anders wahr, wenn wir zu Schreibenden werden …

    2. Brigitte konnte nicht glauben, dass der Kerl einfach weitergegangen war, wahrscheinlich grinst er jetzt schadenfreudig in sich hinein. Na warte, Karma wird sich um dich schon kümmern!
      Die Familie von unten war im Schneeurlaub, jetzt blieb nur noch der alte Kauzbart im Erdgeschoss, der nie grüsste und auch sonst nicht den Mund aufmachte. Aber das hier gerade war eine Ausnahmesituation. Sie atmete dreimal tief durch, lief auf Zehenspitzen die kalte Steintrepe hinunter und klopfte sacht an Herrn Fuch’s Tür. Keine Regung.
      Zum Glück hatte sie wenigstens ein Nachthemd an. Die Kälte kroch an ihr hoch, mittlerweile war ihr alles egal. Sie drückte energisch den Klingelknopf. Der schrille Ton liess sie zusammenfahren. Immer noch kein Laut von drinnen. Dann endlich verhaltene Schritte, die Tür öffnete sich. Aber es war nicht der alte Fuchs, der sie verwundert anstarrte sondern ein ein attraktiver Mann mittleren Alters im Frotteebademantel. Brigitte wünschte sich in diesem Moment auch einen Bademantel und nahm all ihren Mut zusammen, Ich wohne im 3.Stock und habe mich blöderweise ausgeschlossen, dürfte ich vielleicht reinkommen? Ein Grinsen ging über sein Gesicht, Aber na klar doch.

      1. Mir ist nicht ganz klar, wie ich bisher durchs Leben gehen konnte, ohne den Satz: „Na warte, Karma wird sich um dich kümmern!“ Ich danke dir sehr und grüße herzlich 😉

  2. Treppenhaus… realer Bezug… Das schreit geradezu nach unserem Nachbarsjungen. Netter Kerl, aber vor einigen Jahren arg problematisch in manchen Situationen… Ich mach mir mal ein paar Gedanken.

      1. Auf der Treppe treffen sich alle aus dem Haus
        Kenn ich einen davon nicht, frag ich ihn einfach aus…

        Alle Gründe aus dem Haus trafen sich zwischen erster Etage und zweiter Empore. Spät abends auf den Stufen der mit Fett beschmierten Wände.

        Ursache und Wirkung hatten als Treffpunkt die Empore direkt. Nachmittags beim Stromkasten.

        Na also ist das etwa schwer
        Los, wir machen mehr!

        Der Antwort gehörte die dritte Empore. Dort lagerte sie Saftkartons, mit Wasser gefüllte Flaschen und Streichhölzer. Auf der Fensterscheibe ihre Farben.

        Früher hatten sich nicht nur Gründe, Ursache und Wirkung und die Antwort bei den Stiegen getroffen. Als die Menschen noch kommunizierten waren sich dort Leute begegnet. Kinder und Erwachsene, für mehr als zwanzig Jahre. Die damaligen Mütter erinnerten sich.

        Einmal läuteten die Gründe, Ursache und Wirkung und die Antwort bei einer davon. Spätabends, zu spät für zehn. Die Herkunft von Gründe, Ursache und Wirkung und die Antwort hatte sie ausgesperrt.

        Bleibt einer hinter seiner Tür, klingel ich und sag:
        „Du fehlst den anderen und auch mir, was machst du den ganzen Tag?“

        Am nächsten Tag gingen die Menschen, die noch zu kommunizieren versuchten zum Aufpasser und der Aufpasser ging zur Herkunft von Gründe, Ursache und Wirkung und Antwort.

        Die Herkunft, meinte der Aufpasser, müsse mehr auf die Gründe, Ursache und Wirkung und Antwort achtgeben.

        Spielst du mal im Treppenhaus
        Schmeißt dich gleich der Hauswart raus

        ***
        (Basiert auf wahren Begebenheiten.)

        [Kursiv Gesetztes sind Zitate aus „Auf der Treppe“ und „Abzählreim“ aus den Liedern zur Kinderserie „Rappelkiste“ aus den 1970er Jahren. Autoren: Tamchina/Brändli.]

          1. Ich bin für „Rappelkiste“ eigentlich eine Generation zu spät, das lief 1974-1984, mir ist der Nachfolger „Bettkantengeschichten“ (ohne Puppen) sehr präsent. (Die Stimme, die man da am Anfang hört ist der Sprecher von Rappelkisten-Ratz, Kristov Brändli.) Aber so ein Atelier-Kind möchte Weltwissen und damals lernten die Kinder noch interagieren… Es gibt eine „Bettkantengeschichten“-Folge, zum Beispiel, da erzählt eine Erzieherin einem türkischen Mädchen, dass sie im Krieg geflohen ist. Zeigt so was heute noch einer? Eine andere erzählt von einem Mädchen, das nicht versteht warum seine Mutter abends gereizt ist und ihr deshalb nachgeht. Die Mutter arbeitet Akkord im Supermarkt und am Ende der Folge ist klar, sie ist so „gemein“ weil sie nicht mehr kann. Heute würde man doch einer Kassiererin sofort sagen sie soll sich gefälligst zusammennehmen, sie schlechte Mutter. Und natürlich, es gibt diese schöne Folge über Arno und seine alkoholkranke Mutter. Hat uns geholfen dem Atelier-Kind die Mit-Künstler-Mutter zu erklären.

  3. „literarisch unterschätzte Orte“
    allein für diese Begriffsfindung lohnt sich ein Umrühren der Buchstabensuppe – herrlich!
    Ich hoffe, mir fällt was Gescheites ein…noch ist mein Geist so trübe wie der Himmel vor meinem Fenster 🙂 aber ich gebe die Hoffnung nicht auf und setze auf ein entspanntes Wochenende, das die Gehirnwindungen wieder in Bewegung bringt!
    Liebe Grüße
    Carmen

  4. So ein A.-loch, dachte sie. Aber warum musste sie auch bei jedem Klingeln wie eine Verrückte in den Hausflur rennen, immer in der Hoffnung, dass Tom zurück gekehrt war. Und warum musste sie immer noch jede Nacht dieses ausgeleierte verwaschene T-Shirt von Tom anziehen, das sie unten im Wäschekorb gefunden hatte und das sie jetzt immer noch trug. „Du musst wieder unter Leute gehen!“, hatte Nina wieder und wieder gepredigt. Sich nicht so abkapseln, ihr Leben ändern. Und hatte ihr eine Eintrittskarte zugesteckt, für ein Speed-Dating am Silvesterabend. Ihren Marktwert solle sie testen, neues Selbstbewusstsein aufbauen. Und tatsächlich hatte sie sich ein neues Kleid für den Abend gekauft, schwarz, mit tiefem Ausschnitt, dazu ein paar gefährlich aussehende rote Hacken. Aber dann war sie doch zu Hause geblieben, hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt und war irgendwann eingeschlafen.

    Sie hockte sich auf den Treppenabsatz, zog die Beine ganz nah an ihren Bauch und zerrte das T-Shirt über die Knie. Die Kälte kroch langsam hoch. „Ich habe es satt, bis obenhin. Pack deinen Kram und verschwinde!“ „Du kannst mich mal …!“ Die Stimmen kamen aus der Wohnung unter ihr. Jemand riss die Tür auf und rannte an ihr vorbei die Treppe hinunter. Durch die offene Wohnungstür konnte sie ihren Nachbarn sehen, der am Küchentisch saß und den Kopf in den Händen vergraben hatte. Zögernd stand sie auf und ging hinein.

    1. Gefällt mir sehr, dieser Silvester-Abend! Die Frau auf dem Balkon und wie du diese ganze typische Silvester-Athmosphäre beschreibst und es kaum einen größeren Kontrast geben könnte. Und dann doch … Und ich mag den letzten Satz ,-)

      1. Das freut mich! Die Ausgangssituation von Birgit, die Tatsache, dass du sie aufgegriffen hast und der Geschichtengenerator machen es leicht ins Schreiben zu kommen! Herzliche Grüße!

  5. Also Silvester – nee, da kommt mir die Suppe hoch. Und dann auch noch Treppenhaus, klaustrophobische Bilder steigen hoch, und Kälte, zitterbibber ausgeschlossen. Also AUSGESCHLOSSEN, dass mir dazu was Hübsches einfällt. und werrr hat schon Lust auf schwarze Psychodramen, wo doch grad der kleine feine SIchelmond am Abendhimmel erschienen ist, und sich der Amselgesang mit dem Glockenton des Käuzchens mischt, dort draußen im lauen Frühlingswald?

  6. Also gut, hier ist doch ein Histörchen zu Treppenhaus, Tom und Silvester. Diesmal ohne Bilder.

    Treppenhäuser gehören zu den am meisten gehassten Örtlichkeiten, besonders wenn du im 5. Stockwerk wohnst und es keinen Fahrstuhl gibt. Man hat zu schleppen: Kind, Einkäufe, Kohle aus dem Keller, gelegentlich auch das Fahrrad, damit es nicht fremdgeht. Das Treppenhaus riecht, um nicht zu sagen: es stinkt. Die Gerüche aus Küchen, von Reinigungsmitteln, Rauch und Kohlenstaub mischen sich, und du musst fünf Treppen ersteigen, das Kind auf der rechten Hüfte, drei Einkaufstüten in der linken Hand, einen Rucksack auf dem Rücken. Im dritten Stock wohnt eine Alte, die kann nicht mehr in den Keller, also guckt sie raus und versucht einen Menschen abzufangen, damit man ihr einen Eimer Kohle hochholt. Heute bin ich dran. Ja, Moment, ich bring dies grad mal hoch, Frau K, dann komme ich. Atemlos, das Kind absetzen, den Schlüssel hervorkramen. Wo zum Teufel ist der Schlüssel. Im Rucksack, Außentasche. Nein. Da sollte er aber sein. Ist er aber nicht. Von unten die Stimme der Alten: Kommen Sie nun? Moment, einen Moment bitte. Das Kind sitzt am Boden zwischen den Einkäufen, immerhin. Hoffentlich bleibt es da und fängt nicht an, über die Tüten zu krabbeln und sich zu verheddern. Wo ist der verdammte Schlüssel? Hinter der verschlossenen Tür klingelt das Telefon. Das muss Tom sein, der wollte sich für heute Abend verabreden. Silvester, bisschen Knallerei gucken und dann zusammen anstoßen. Rausgehen geht nicht, wegen dem Kleinen. Natürlich fängt er an zu krabbeln, fischt Salzstangen aus der einen Tüte, reißt die Packung fröhlich auseinander. Gluckst, als die Dinger zerbrechen, stopft sich drei Bruchstücke gleichzeitig in den Mund. Immerhin, er ist beschäftigt. Aber der Schlüssel, wo ist er. Den Rucksack habe ich schon fast ausgeleert, kein Schlüssel. Das Klingeln bricht ab, um gleich wieder zu beginnen. Kommen Sie nun, Frau N, ruft die Alte von unten. Moment! rufe ich, mein Schlüssel, ich kann hier nicht rein, Moment bitte. Ich hab ihn doch hoffentlich nicht drinnen stecken lassen? Das würde mir grad fehlen. Ich bücke mich und kneife das eine Auge zusammen, um mit dem anderen deutlicher zu sehen. Mist, verdammter, der steckt von innen. Und jetzt? Wo kriege ich einen Schlüsseldienst her? Als ich mich aufrichte, sehe ich: Der Fischsalat für heute Abend ist jetzt dran, der Kleine verschmiert ihn grad in seinem Gesicht, zieht eine Schnute, denn er schmeckt ihm nicht. Und drinnen klingelt zum dritten Mal das Telefon, nun aber nur kurz, bricht ab. Ich setze mich auf die oberste Treppenstufe, schnappe mir das Kind, setze es mir auf den Schoß und befreie die Packung Fischsalat aus seinem Händchen. Gar nicht so einfach, denn jetzt will er ihn. Irgendwo im Rucksack muss ich Tempos haben. Für seine Hände, für meine Tränen. Von unten ruft die Alte: Wann kommen Sie denn, bitte?

  7. Die Idee finde ich wunderbar….mir fehlt die Zeit ein wenig, um hier etwas zu schreiben ABER ich ertappe mich, wie ich mich jetzt sofort gedanklich auf die Treppe setze…:-) ! …ich würde wohl irgendwo einen Stift finden und die kahlen Wände mit Gedichten…Sätzen…Gedanken…voll schreiben! Und so entstand das „erste literarische Stiegenhaus“ ❤
    Danke Birgit…Danke Jutta….und viele liebe Grüße – Karin

    1. Das erste literarische Treppenhaus – was für eine schöne Idee! Wieviel Raum böte es für die allerunterschiedlichsten Texte? Wer könnte alles mitmachen? Wer weiß, was daraus wird?! (Sobald eine Idee mal in der Welt ist …) Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende!

      1. Ohja….viel Raum liebe Jutta….und viel Kreativität….wie literarisch wertvoll es doch wäre….ein Treppenhaus der Gedanken….jajaja…auch ich hab die Bilder bereits im Kopf! Dir auch ein schönes Wochenende – Karin

  8. Ein paar tagtägliche Gedanken einer Treppe, aus dem Zusammenhang gerissen.

    Sauseschritt – Sauseschritt –drei Stufen hoch im Sprung -/ Und Hosenboden Handgriffrutsch ! – die hier sind jung.

    Schlurf, schnief, pock pock Stock auf Holz, Stock für Stock. Alt ist der, weiß nicht wer. Vielleicht ein Herr.

    Sockenweich, still und leicht, schleicht hinauf zum Rendevouz Dame, Herr, wer will das wissen, mir egal, sie wolln sich küssen. –

    Knorz knach alte Treppe spricht bevor sie bricht.

  9. Treppenhaus

    Geschichten erzählen, eine von den Möglichkeiten, die gern unsere Großeltern nutzten, um uns Enkelkinder Aufmerksamkeit ab zu gewinnen. Da saßen wir auf dem Sofa in der Wohnküche und sahen unserer Großmutter zu, wie sie für uns Kakao kochte. Der Großvater wippte in seinem Schaukelstuhl, so dass der kleine Teppich auf dem er stand, mit hin und her bewegte. Gleich geschieht etwas. Großvater stopfte seine Pfeife. Immer noch. Wir warteten.
    Endlich, dem Rauch seiner Pfeife mit den Augen folgend, saß er nach hinten lehnt und räusperte sich. „Frau hast du gesehen, wie neulich neue Mieter die untere Wohnung bezogen haben“?
    „Nein, Mann, wo denkst du hin, ich hatte zu tun, beinahe wäre mir das Feuer, an dem Tag im Ofen erloschen. Weißt du nicht mehr“. Ich hatte das letzte Stück Holz auf gelegt und wartete. Du kamst nicht aus dem Keller. Alles erschien mir so übermäßig lang zu dauern. Da sah ich durch den Spion in unserer Wohnungstür ins Treppenhaus. Ich mochte es dir später nicht erzählen, aber ich beobachtete wie zwei kleine Geister die Treppe hinauf huschten und mit einem dunklen, länglichen Gegenstand, an dessen Ende so etwas glitzerndes Rundes diesen verdickte, alles berührten. An den Stellen rieselte es wie silberner Sternenstaub zu Boden.
    Vorsichtig und leise öffnete ich die Tür, um es genauer zu sehen. Du hattest am Tag zuvor die Scharniere gefettet, dennoch bemerkten sie mich. Ein Luftzug ging durchs Treppenhaus und gleichzeitig fachte das Holz im Ofen an. Eine Flamme züngelte wie erbarmungslos am dem Scheit. Die Hitze stieg und die Milch kochte über. Die Tür schlug zu.
    Kurze Zeit später warst du hinter mir und ich erschrak so heftig, dass du dich amüsiertes. Ja, ja, brummte Großvater ein wenig beschämt, denn es war ihm nicht recht, an diese Situation erinnert zu werden. Aber es sah so ulkig aus, wie sie den Milchtopf balancierte, dass ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte.
    Also, du hast nichts mitbekommen Frau? „ Nein“ Gut, gut. Ich kann nur sagen es ist gut, oder wieder nicht. Wie ihr wisst, ich war im Keller, dabei blickte er jedes einzelne Kind eindringlich mit spannungsvollem Blick, an. Ich schüppte Kohlen, die Großmutter benötigte, in den Eimer. Ich versuchte es zumindest, aber immer wieder kippte der Eimer um. Mehrmals. Was bist du doch für ein Schussel, schalt ich mich. Kannst du nicht besser aufpassen. Ich bemühte mich, da ich wusste der Ofen wird ausgehen, wenn ich mich nicht beeile. Irgendetwas hinderte mich.
    Im Keller war es dunkel, nur ein spärliches Licht fiel von dem vergitterten Fenster in den Gang. Eine Kerze hatte ich nicht mitgenommen, ebenso keine Streichhölzer in der Hosentasche. Wozu, ich kannte den Keller und ich bin stark. Angst hatte ich nicht, bis dato. Zum letzten Mal versuchte ich den Kohleneimer zu füllen. Ein gescheppert und der Eimer kippte samt Inhalt um. Gleichzeitig nahm ich einen starken Luftzug wahr und wurde an die Seite gestoßen.
    „ Hansi“, nein. Ein Lichtschein eilte der Stimme voraus. Ein Arm mit einem überweiten Ärmel dem ein langes, schwarzes, weites Gewand mit den Gestirnen besetzt, anhing. Bevor ich erkannte, wer unter diesem Gewand verborgen ist, sprach die Stimme weiter. Es sind die Kartoffeln in ihrem Keller. – Hansi – liebt Kartoffeln. Nichts hindert ihn, nicht einmal Kellertüren. Vorhängeschlösser ignoriert er, wenn sie nicht eingehakt sind. Übrigens, Hansi lieb Rutschen, insbesondere Kohlenrutschen, wie man sieht. Schwarz ist nicht seine natürliche Farbe. Gesagt, und ohne Ankündigung, gab es einen lauten Rums. Ich konnte gerade noch das selbst gebaute Regal mit den gefüllten Gläsern stützen, dann klappte die Tür und ein Glas fiel zu Boden. Das mit den gelben Pflaumen, nun haben wir nur noch zwei. „So, so“; sagte Großmutter und goss uns Kakao ein.
    Stille.
    Der Kleinste, kletterte ungeachtet von uns auf das Sofa, steckte seine Händchen in seine Hosentaschen. Drehte das innere beim rausziehen nach außen und ehe wir uns versahen plapperte er mit seiner piepsigen Stimme…..Sternenstaub……
    Dann klingelte es.

    1. Liebe Monika, vielen Dank für diese Geschichte, die mich daran erinnert, dass in den Treppenhäusern ja früher ungemein viel mehr los war – als man noch einen Kohlenkeller hatte und eine Waschküche … Schöne Grüße!

    1. Liebe Christiane, ich habe gleich zwei gute Nachrichten für dich: zum einen gefällt mir diese Geschichte sehr (wobei ich durchaus dankbar für den Hinweis auf deine Unversehrtheit bin, so plastisch wie dir die Treppenhaus-Szene gelungen ist) und zum anderen habe ich (ich schwöre!) beim „Geschichten-Anstiften“ vorweg keinerlei Vorstellungen, was da dabei herauskommen könnte oder gar sollte. Und gerade das begeistert mich sehr: Wenn sich die Texte unterscheiden – in allem, was nur denkbar ist … Herzliche Grüße!

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