Was treibt dich an im kreativen Prozess?

„Ich stolpere, bin verdutzt – da war doch was? Ich beginne zu schreiben, mache Notizen. Experimentiere mit ersten und abwegigen Ideen.  Suche weiter. Nähere mich. Erkenne verärgert, dass ich mich doch wieder entfernt habe. Verzweifele kurz. Tausche mich aus. Suche weiter. Finde „meins“ schließlich und mache es dann mit aller Energie und Hingabe. Überarbeite. Überarbeite mehrfach. Und fange wieder an …“

Eingeladen für eine Broschüre kurz (ich fürchte, es ist noch zu lang) zu notieren, was mich antreibt (umtreibt?), kaue ich seit gestern auf dieser Antwort herum und würde mich nun noch mehr als sonst über Reaktionen freuen:

Ist das alles „eh klar“ – und somit eigentlich nicht erwähnenswert? Zu pathetisch? Mir ist ja immer sehr daran gelegen, das Prozesshafte zum Ausdruck zu bringen – und wie wichtig es ist, die Augen offen zu halten, sich auf die Suche nach dem zu machen, was uns jeweils wirklich umtreibt – sogar darüber kann man sich irren … Also: Was meint Ihr?

Nachtrag (30.05.2015): Aufgrund der wirklich sehr hilfreichen Reaktionen, die mich (zum Teil auch per E-Mail) erreicht haben, habe ich den Anfang meiner Antwort nochmals verändert und dies auch im Beitrag nachträglich aktualisiert.

24 Kommentare

  1. Für mich gilt, aus Erfahrung: Augen offen halten, zulassen und abwarten – und plötzlich kommt der Drang von innen, die Erkenntnis ist plötzlich da, und meist geht es dann in eine völlig andere Richtung, wie ursprünglich angedacht. Für mich galt und gilt: Wenn ich unbedingt etwas erreichen/schaffen willen, ein Ergebnis etwas erzwingen will, dann schaffe ich es nicht – oder das Ergebnis ist nur mittelmäßig.

    1. Da kann ich jeden Satz, jeden Aspekt unterschreiben – und unterstreichen würde ich zusätzlich noch: den „Drang“, die „völlig andere Richtung“ und die unerfreuliche Auswirkung von „unbedingt wollen“ … Ich danke dir sehr für deine Gedanken!

  2. Für mich kommt dein Prozesshaftes, dein Herz, deine Hingabe und dein Aufgehen in diesem Suchen/diesem Treibenden gut zum Ausdruck.
    Wenn das noch zu lang ist… Ich wüsste nicht, was ich weglassen würde. Schließlich geht es diese Schleifen…

  3. Liebe Jutta, da stellst Du aber eine ungemein schwierige Frage, die man für sich selbst oft ja schon nicht eindeutig beantworten kann, erst recht nicht im Bezug au andere…
    Was treibt Menschen an?
    Es gibt soviele denkbare Motive: Mitteilungsbedürfnis. Geltungsbedürfnis. Schaffensdrang. Schreibzwang. Schreibdruck. Und mir fällt auf, dass alle diese Substantive auch eine negative Konotation haben. Was ja richtig doof ist.
    Auf Schwäbisch würde ich einfach sagen: Man macht halt.

    1. Liebe Birgit, ich bin mir ehrlich gesagt auch nicht sicher, wie die Frage gemeint ist. Ob es nicht vielleicht vor allem darum geht: Was treibt dich um, wenn du kreativ bist? Was passiert dann? Wie sieht das aus?
      Jedenfalls bin ich durch die freundlichen Rückmeldungen (auch an dich einmal mehr großer Dank!) schon einen Schritt weiter und habe meinen Zeilen jetzt doch noch etwas vorangestellt. Es geht jetzt so los:
      „Ich stolpere, bin verdutzt – da war doch was? Ich fange an zu suchen. Experimentiere mit ersten oder abwegigen Ideen …“ Und die Motive? Das ist wirklich ein sehr schwieriges Feld: „Man macht halt“ finde ich super – und das verstehen auch die Norddeutschen!

  4. Ich habe das immer vermutet, dass deine (deswegen so selten erscheinenden) Blog-Perlen so entstehen: Mit einer Tee-Zeremonie, die sehr bedacht in ein Ritual übergeht, in der ganz allmählich ein erster Buchstabe kalligrafische Gestalt annimmt …

  5. Wie wäre es einfach die Freude zu erwähnen, etwas entstehen zu sehen, was es vorher noch nicht gab? Wenn sich die Worte von selber fügen und in eine Richtung gehen, die du weder gewollt noch geahnt hast.

    1. Ja, das stimmt – die Freude sollte nicht fehlen. Für diesen Hinweis danke ich dir sehr! (Wenngleich es bei mir lange gedauert hat, bis sie halbwegs regelmäßig aufgetaucht ist …)

  6. liebe jutta du sammelst figuren ,Charaktere ,forschst in den spuren der lebenszeit ,guckst genau hin .zeichnest im detail genau die stärke und schwäche.es brennt sich ein auf der netzhaut.du bist eine sammlerin mit grosser sorgfalt.das ist ein riesen fund .zeit spielt keine rolle.deine zuneigung fürs wesentliche ohne schnörkel oder verzierungen ist markant.so ist es .viki

    1. Liebe Viki, besser kann ein Tag nicht beginnen – als mit einer so wunderbar originellen „lobhudelei“! Ich habe schon einen „Lieblingssatz“ – aber den verrate ich nicht 😉

      1. liebe jutta die frau mit dem Taschenbuch wohnt jetzt in meinem Kopf so ist die sammelleidensschaft am verborgenen ort ,erst mal in eine Tasche gestopft bis du wieder schritte auf die strasse machst.für deine ssammlung ist es die frische ,und das bewegtsein wwas den ausschlag gebenden impuls ,quasi den kickstart für die geschichten .so setz mich bloss keiner unter druck.denn dann ist die tasche leer.lieben gruss viki

        1. Liebe Viki, allein für das „Taschenbuch“ gebührt dir großer Dank, der jetzt nur deswegen nicht ausführlicher ausfällt, weil ich gerade mit einer stolzen Anzahl an Geschichten jongliere … Allerbeste Grüße!

  7. Vielleicht fängt jeder anders an zu schreiben. Ich gehöre wohl zu den ‚Spontantätern‘. Setz mich hin und leg einfach los. Lasse es fließen und staune oft, wohin die Reise geht. Fühlt sich an, als übernähme an einer Stelle jemand das Ruder für mich. Wenn ich Artikel schreibe, folge ich einem Textgerüst. Wie ein Haus baue ich das dann aus. Doch bei Geschichten, auch längeren, kann ich der Verselbständigung des Schreibflusses kaum entgegenwirken, es lässt sich schlecht in eine vorgefertigte Form zwingen. Bei manchen Geschichten habe ich wohl erst das Ende vor Augen, meistens halte ich jedoch einen losen Faden, das kann eine Begegnung sein oder etwas Inspirierendes, das ich las. Manchmal nur ein Wort, das mich fasziniert, wie letztens das Wort: Zeithain, das ich googelte und eine Menge Historie drumherum fand, die dem Wort sämtliche Poesie raubte… Doch das bringt mich wieder auf neue Gleise, in eine andere Richtung.
    Um mein Schreiben nach groben Richtungen zu lenken und zu schulen, finde ich das Projekt von ‚westendstories‘ sehr gut, nach zehn Wörtern und innerhalb einer gesetzten Frist einen Text zu erarbeiten.
    Um mich zu komprimieren und das Lyrische zu trainieren, schreibe ich gern ‚Haiku‘, welche strengen Silbenvorgaben folgen.
    Hoffe, ich konnte zum Thema beitragen.
    Karfunkelige Grüße✨

    1. Ich danke dir sehr, dass du uns einen kleinen Einblick in deine vielfältigen Erfahrungen mit dem Schreiben gewährst. In den Werkstätten erlebe ich immer wieder, wie fest in manche Menschen die Überzeugung getrieben worden ist, es gäbe da nur den einen, richtigen Weg (der dann leider nie derjenige ist, den die Betreffenden gerade beschreiten). Und nichts „hilft“ dann so sehr, wie sich ganz konkret darüber auszutauschen, wie unterschiedliche die Wege sein können.
      Mir selbst geht es ähnlich wie dir: es variiert in der Zeit und abhängig von der „Textsorte“. Bei längeren Texten habe ich immer eine Vorstellung davon, wie sie enden werden (die sich im Schreibprozess dann allerdings öfter auch ändert). Bei kürzeren Texten ist es bei mir auch oft nicht mehr als ein „Moment“ – eine Geste, Haltung, vielleicht ein Satz – in dem mir „mehr“ zu stecken scheint, ohne dass ich dieses „mehr“ schon erkennen kann. Erst mit dem Schreiben entfaltet es sich – oder auch (erstmal) nicht …
      Viele herzliche Grüße!

  8. “ NICHTS „, war mein erster Gedanke.
    Nichts, was mich treibt, bringt mich in einen kreativen Prozess. Wie ist es möglich, dachte ich. Dann konnte ich nicht aufhören. Immer mehr gesellten sich, Objekte, Ideen, Begriffe, Bedeutungen, und füllten mein Gehirn. Es entstanden Kombinationen, Pläne, Konstrukte, Lösungen, Vorstellungen, Varianten, Ergebnisse. Harmonie, Schönheit, Anspruch, Konflikt. Aus dem “ NICHTS „, welches mich nicht treibt, entstand eine Bewegung, dessen Fluss ich folgte, ohne körperlich aktiv zu werden. „Iss was“ hörte ich aus scheinbarer Ferne. Nein!
    „NICHTS „

  9. Ich merke, dass mich diese Frage nach dem „Kreativen“ oft nervt. Es ist – so fühlt es sich zumindest für mich an – nichts anderes, als wenn ich andere „umkreative“ Aufgaben angehe. D.h. es tun, nach Wegen suchen, Fehler machen, die Sache erledigen oder aufgeben. Fragt man Physiker, Chemiker, Mathematiker nach dem, was sie im kreativen Prozess antreibt? Vielleicht Neugier. Etwas Neues ausprobieren. Warum bleibt ein Sportler „dran“? Warum ein Obstverkäufer? Weil es das ist, was zu einem passt? Es ist vielleicht enttäuschend, aber in vielen Fällen treibt mich das Honorar an. Und ich fühle mich wie der Handwerker, der neulich unsere unmögliche Küche im Büro neu einrichtete. Eine Art Schrotthaufen, der jetzt tatsächlich funktioniert und auch noch klasse aussieht.

    1. Großen Dank für diesen schönen Hinweis – insbesondere darauf, dass wir „das“ alle ständig tun, auch wenn nicht „kreativ“ draufsteht. Mir geht es oft so, dass ich das (und manch anderes) gar nicht mehr sagen mag, weil es ein so alter Hut ist – und dann aber immer wieder überrascht bin, wie neu (und hilfreich) der Gedanke für Menschen ist, die nicht ständig „damit“ zu tun haben …

  10. Diese Frage wird gestellt, kann nerven, interessiert mich aber auch bei anderen. Ich frage mich zum Beispiel, warum mein Sohn Informatiker werden will, was ihn antreibt. …
    Auch wenn es spät ist, möchte ich dir gern eine Antwort schicken. Mich treiben Fragen an, solche, die ich nur selbst beantworten kann. Ich möchte herausfinden, warum sich beispielsweise ein Mensch in ein Monster verwandelt. Was muss passieren, damit ein Leben ins Wanken gerät? Der Versuch, in die Rolle einer anderen Person zu schlüpfen, ist spannend, vor allem, wenn es eine ist, die ich auf den ersten Blick nicht begreifen kann. Genau das möchte ich aber. Dabei habe ich den Nebeneffekt, meine eigenen dunklen Seiten gleich mitansehen zu können, denn ich finde mich auch in einem völlig verstörten alten Mann wieder. Kurz: Ich bin auf der Suche nach Antworten – und Fragen.

    1. Ich bin ja überzeugt, dass man es Texten schnell anmerkt, ob sie aus einer fragenden oder eher antwortenden („was ich der Welt immer schon mal sagen wollte“;-) Haltung geschrieben sind. Mich interessieren letztere selten … Und ich empfinde es auch als eine wunderbare Chance, beim Schreiben das Innenleben anderer Figuren erkunden zu können. Viele Grüße!

Ich freue mich über Kommentare!

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