Die Teilnehmer:innen von Schreibwerkstätten müssen oft mutig sein, wenn sie zum Beispiel ihre ersten Entwürfe oder Versuche der Gruppe vorlesen – und manchmal auch tapfer. Wie schlecht die Chancen für eine Veröffentlichung in einem seriösen Verlag sind, überrascht (und enttäuscht) oft selbst diejenigen, die sich um eine realistische Einstellung bemühen. Nicht selten kommt jemand mit einem Roman-Manuskript in die Werkstatt, um Hinweise für eine „letzten“ Überarbeitung zu erhalten und erfährt, dass die Konstruktion nicht „funktioniert“. Ein anderer mag kaum glauben, dass niemand im Raum über die „lustigen“ Wendungen in seiner Geschichte lachen kann. Wir irrren uns erstaunlich oft über das, was schon gut ist an unseren Texten – und über die Aspekte, die (unbedingt) noch weiterentwickelt oder verbessert werden müssen.
Das ist so und die meisten Teilnehmer:innen nehmen diese Rückschläge mit einer bemerkenswerten Haltung hin, schütteln die Enttäuschung nach einer Weile ab – und schreiben weiter, überarbeiten, versuchen die Anregungen zu nutzen. Die Werkstattleiterin meines Typs bemüht sich sehr, entsprechende Hinweise den Teilnehmer:innen nicht wie „einen nassen Lappen um die Ohren zu schlagen, sondern wie einen Mantel, in den man hineinschlüpfen kann“ (Max Frisch). Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen es schwierig wird – und ich habe zunächst nicht begriffen, warum es an ganz bestimmten, sich wiederholenden Punkten immer wieder besonders schwierig wird, manchmal sogar zu ernstem Verdruss kommt.
Sehr oft ist das so, wenn es um bestimmte Fragen der sprachlichen Form geht. Ein schönes Beispiel ist „sagte er/antwortete sie“. Diese beiden schlichten Möglichkeiten zu markieren, dass gerade etwas gesagt wurde (und von wem), missfallen vielen Kursteilnehmer:innen und deswegen bevorzugen sie eine der folgenden Varianten:
„Das ist aber doch langweilig“, sagt der Teilnehmer flehend/flüsternd/stockend/bittend/wütend/ungläubig.
„Das ist hier unerheblich“, bellt/zischt/jammert/klagt die Werkstattleiterin.
An diesem Punkt wird es oft schwierig – denn gleich zwei „Regeln“ scheinen gegen die Forderung der Werkstattleiterin zu sprechen (und möglicherweise ihre Autorität zu untergraben): 1. Vermeide Wortwiederholung, sofern sie kein Stilmittel sind. 2. Erzähle so konkret, so anschaulich, so originell wie möglich.
Bis vor einer Woche sah ich diesem unvermeidlichen Konflikt stets mit Bangigkeit entgegen – nicht zuletzt, weil meine „Belegstellen“ und Argumentationshilfen eher aus dem literarischen Bereich (im engeren Sinn) stammten und von meine „Genre-Schreiber:innen“ sich davon nicht immer angesprochen fühlten. Aber dann sprang mir jemand zur Seite, der irgendwelcher literarischer Mätzchen vollkommen unverdächtig ist: Stephen King! Stephen King, der mir schon in dem Beitrag zu den Plotmodellen so unerwartet beigestanden hatte, outet sich in seinem Buch „Das Leben und das Schreiben“ als absoluter Verächter des Adverbs (also der Wörter, die andere Verben, Adjektive oder Adverbien näher bestimmen): „Ich bin überzeugt, dass die Straße zur Hölle mit Adverbien gepflastert ist. … Anders ausgedrückt: Adverbien sind wie Löwenzahn – hat man einen auf der Wiese, sieht er lustig aus. Doch rupft man ihn nicht aus … Ich bestehe darauf, dass Sie das Adverb in Begleitung von wörtlicher Rede nur in den allergrößten Ausnahmefällen verwenden. … Die beste Art und Weise, wörtliche Rede einzuleiten, lautet „sagte“ wie in „er sagte, sie sagte, Bill sagte, Monica sagte“.
Mir ist klar, dass das für nicht wenige um Originalität ringende Schreiber:innen ein ziemlicher Schlag ist. Und deswegen ende ich versöhnlich mit einem Zitat aus Ludwig Reiners „Stilkunst“ (das erstmals 1943 erschien) und das sogar das Kapitel „Kampf dem Beiwort“ enthält: „Das Beiwort – sparsam verwendet, glücklich gegriffen – kann in der Hand des Meisters einen ganzen Satz ersparen. Aus dem Testament Lope des Vegas: Und so habe ich dir, mein Sohn, bei meinem Tode nichts zu hinterlassen, als diese nutzlosen Warnungen.“
Stimme dem Herrn King da schon zu. Man kann unter Verzicht auf Beiwerk schön schreiben. Kann man!
Liebe Birgit, schön, dass du wieder da bist! Und hast vielleicht eine milde Ironie aus dem Urlaub mitgebracht?
Liebe Jutta,
war ja nur kurz weg – das hat für Ironie noch nicht gereicht. Warte mal nach meinem langen Sommerurlaub 🙂 Nein, im Ernst: Ich gebe Deinem Beitrag und Herrn King recht. Schlichter schreiben! Ich werde das selbst üben 🙂
Dir ist schon klar, dass mir das wüste Beschimpfungen und vermutlich schlimmste Drohungen deiner so zahlreichen wie begeisterten Leser:innen einbrächte – und sie hätten ja so etwas von Recht! Beste Grüße!
Die Ironie oder der Verzicht auf Beiwörter?
Sollte es Proteste geben, dann zitiere ich einfach die Werkstattleiterin: „Das ist hier unerheblich!“. Ich überlege noch, ob ich belle oder zische.
Aber im Ernst: In einem Romandialog finde ich es ermüdend, wenn hinter jedem Satz „sagte sie“, „sagte er“ sagte sie“ steht – Abwechslung muss sein. Andererseits ist es wiederum fast schon komisch welche Stilblüten dann beim Bemühen um eine abwechslungsreiche Sprache entstehen: „Du hast Blumen gekauft“, gab er zu Bedenken. „Ja, heute morgen“, merkte sie an. „Wie schön“, lächelte er. „Und die haben nur 1 fuffzig gekostet“, stelle sie zufrieden fest.
Die goldene Mitte macht es aus – wie immer…
King behauptet, in seiner Jugend habe es ein Partyspiel gegeben, bei dem man möglichst „geistreiche“ Versionen dieser Stilblüten austauschte: „Sie haben aber reichlich Klafter vor der Hütte, meine Dame“, sagte er hölzern 😉
Ich bin da ja ausnahmsweise mal nicht für die „goldene Mitte“: Meist kann man sich ja das ein oder andere „sagte er“ auch sparen, ohne dass die ganz große Verwirrung ausbricht und wenn nicht, muss man es eben durch Beschreibung von parallel laufenden Handlungen/Bewegungen deutlich machen, z. B.: „Immer musst du übertreiben!“ Birgit griff nach der Zeitung …
Okay…ich greif jetzt gleich nach der Zeitung 🙂 Und suche bis morgen noch nach Stilblüten 🙂 Unsere hat da immer was zu bieten!
Ja. Drei Ausrufezeichen. Sagte sie (erfreut). 🙂
„Was für ein schöner Kommentar!“, dachte sie und sah den Aufgaben des Tages ein wenig optimistischer entgegen 😉
gefällt mir sehr und stimme zu – aber: was sind „literarische Mätzchen“? Nein, ich frage dich das nicht wirklich. Ich musste nur schmunzeln, weil ich mir vorstelle, welche Position du innerlich einnehmen musstest, um auf diesen Ausdruck zu kommen…..Und jetzt suche ich in meinem Kopf, welcher Literat (!) Mätzchen verzapft haben könnte bzw., ob die Annahme, es seien Mätzchen, etwas über den Schreiber oder den Leser verrät – und wenn, was. Ach, höre mir gar nicht mehr zu, ich bin müde und habe aus Versehen das Nachdenken ins Außen verlegt – eben Bewusstseinsstrom live – nicht sehr unterhaltsam für die Umstehenden, aber ich höre das Klacken der Tasten im Moment so gerne. Wie gesagt: Bett ruft…Und bitte, bitte nicht antworten, dann wüßte ich ja, dass du das gelesen hast.
Liebe Martina, gerade gestern hatte ich einmal mehr so viel Freude und Anregung an deinem Newsletter – und betrachte es als kleine Form der Gedankenübertragung, dass du hier dann auch noch ganz real (na ja, ganz real natürlich auch wieder nicht) „gelandet“ bist … Und hast mich mit deinem Kommentar, an dem ich ebenfalls große Freude hatte, daran erinnert, dass ich seit längerem mal über „Kunstsignale“ schreiben wollte – aber das ist wirklich ein schwieriges Thema und vielleicht eher etwas für den Winter … Herzliche Grüße!
Nach meiner Erfahrung braucht es einige Zeit, bis man den Feinheiten des Schreibens auf die Spur kommt. Vieles, was einem anfangs schön und gut vorkommt, entpuppt sich später als überladen. King war für mich auch ein Augenöffner. Mir gefällt sein Rat, einfach alles Überflüssige wegzulassen.
Das Auf-den-Punkt-bringen halte ich für ganz wesentlich. Eine gute Übung sind sog. Mikrogeschichten – so kurz wie möglich. Eine Geschichte in 3-5 Sätzen zu schreiben, hilft, den Focus auf das Wesentliche zu legen. Dann gibt sich vielleicht auch das Adverbien-Problem. Anstatt selbst Beispiele zu liefern, würde ich jeden Teilnehmer ein Buch mitbringen lassen, um die Dialoge zu untersuchen.
In jedem Fall ist es immer ein Prozess. Also hilft vermutlich nur, was (fast) immer hilft: Geduld. Und jeden dort abholen, wo er gerade steht.
Viel Spaß in der Werkstatt wünscht die Autodidaktin.
Vielen Dank für die Anregungen und den Hinweis auf deine Erfahrungen! Ich stimme dir absolut zu: Es ist ein Prozess und wer zu schreiben beginnt, beginnt meist auch anders zu lesen. Über unseren gemeinsamen „Lieblingstipp“, alles Überflüssige zu streichen, werde ich vielleicht noch mal gesondert schreiben, denn wie so oft, steckt der Teufel in der (Detail)-Frage: Was ist überflüssig? Und übrigens geht es in der Werkstatt in der Regel recht heiter und gelassen zu – ich dramatisiere hier glegentlich in den Berichten ein bisschen zur Spannungssteigerung 😉 Schöne Grüße!