Von vorne beginnen oder weiterschreiben?

„Heute (…) habe ich beschlossen, das Buch, an dem ich gerade arbeite, von vorne zu beginnen. Auf Seite 37 konnte ich den Verdacht, ich hätte schon in der Konstruktion, in der Schreibvoraussetzung, einen grundsätzlichen, nicht korrigierbaren Fehler gemacht, nicht mehr abweisen. (…) Ich schreibe sehr langsam, und 37 Seiten einfach zu verwerfen ist für mich eine harte Entscheidung.“

Das schreibt Monika Maron in dem schmalen und sehr lesenswerten Band „Wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche“, in dem ihre Frankfurter Poetikvorlesungen abgedruckt sind und dass mir einfiel, als ich heute erfreut las, dass ein neuer Roman von Monika Maron erschienen ist: „Zwischenspiel“.

Worin genau unterscheiden sich Schriftsteller von Schreibanfängern? Was bewirkt die Praxis, die Erfahrung, der jahrzehntelange Austausch? Mein Eindruck ist, dass „Anfänger“ sich oft keine Vorstellung davon machen, wie mühsam, wie zirkulär und suchend das Schreiben auch (oder gerade) für diejenigen ist, die es seit langer Zeit und sogar mit Erfolg betreiben. Wie selbstverständlich es ist, immer wieder einen neuen Anfang, eine andere Perspektive oder Tonlage zu erproben.

Und andererseits – wer an einem längeren Text schreibt und die ersten Seiten wieder und wieder verwirft und darüber die ganze Geschichte und Schreibfreude und jedes Selbstbewusstsein verliert, der sollte unbedingt versuchen, einmal weiterzuschreiben. Obwohl es noch lange nicht der erwünschte, erträumte Text ist. Obwohl die Dialoge schlecht und die Handlung unverständlich scheint. Vieles lässt sich nur in kleinen Schritten und nacheinander angehen.

Weniger als an Talent mangelt es manchem daran: Zu akzeptieren, dass fast alles, das wir schreiben vorläufig ist. Nicht weiter führt oder zumindest überarbeitet werden muss. Dass wir immer wieder von vorne beginnen müssen. Das kann unsere Eitelkeit erheblich kränken – aber es ist leider so und vielleicht hilft der Gedanke, dass es anderen kaum besser geht.

Natürlich kann auch die reziproke Aufgabe herausfordernd sein: Ein Ende zu finden. Aber dieses Thema ist unbedingt einen eigenen Beitrag wert …

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