Ich war wieder in Bassum, um die Schreibwerkstatt der Sommerakademie zu leiten, die dort mit großem Erfolg seit mehr als 20 Jahren von der VHS Diepholz veranstaltet wird. Der besondere Reiz einer solchen Sommerakademie besteht darin, dass die parallel stattfindenden Kurse sich idealerweise gegenseitig inspirieren – davon möchte ich in diesem Beitrag berichten.
Während der ersten von zwei Wochen, die ich dieses Jahr in der Freudenburg vor Ort war, fand parallel der Kurs Experimentelle Buchgestaltung: Das Buch als Haus unter der Leitung der Künstlerin Odine Lang statt (tolle Homepage mit einem schönen Überblick sowohl über das künstlerische Schaffen als auch das Kursangebot!). Odine und ihre Kursteilnehmerinnen waren so freundlich, uns einen Blick über die Schulter schon am dritten Tag zu gewähren, so dass wir eine Vorstellung von den Entwicklungsschritten der ganz unterschiedlichen Bücher und Objekte machen konnten, die innerhalb der fünf Tage entstanden sind.
Nach diesem Atelier-Besuch fiel mir der Titel eines Buches von Reinhard Lettau ein: Schwierigkeiten beim Häuserbauen. Ich schrieb einen kleinen Text dazu – als Gruß aus der Schreib- an die Buchwerkstatt für die wechselseitige Präsentation der Kursergebnisse am letzten Abend:
„(…) Vielleicht werde ich auch gar nicht mehr über Häuser reden, jedenfalls nicht über solche, deren steinerne Wucht mir jede Phantasie raubt. Vielleicht werde ich nur noch über Häuser aus Papier reden. Und nicht über irgendwelche Häuser aus Papier, nein, allein über Häuser aus Papier, die wie Bücher aussehen, oder Bücher sind, obwohl sie gar nicht so aussehen wie Bücher, sondern wie Häuser.
Was könnte das für ein phantastisches Leben sein, was für wunderbare noch kein bisschen abgenutzte Schwierigkeiten gäbe es zu bestaunen: dünne, zarte Schwierigkeiten, Schwierigkeiten aus Pergament und solche, die mit zarter Feder gezeichnet scheinen, Schwierigkeiten aus Seidenpapier oder aus bloß angedeuteten Knicken. Auf diese sehr leichten Schwierigkeiten würde ich mich beschränken, bis ich vielleicht in späteren Jahren den Mut fassen würde all die anderen Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen – darauf bauend dass sie aus der Nähe einen ganz eigenen Charme entfalten: die handfesten Schwierigkeiten des Bindens und Klebens und vor allem die Gefahren der Ungenauigkeit, der Sorglosigkeit. Was für freudige, für vielversprechende Aussichten! Was für herrliche Schwierigkeiten beim Häuserbauen!“
Einige der Teilnehmer.innen von Odines Kurs fragten mich danach, ob sie den Text verwenden können für ihre Häuser, ihre Bücher – so dass der Text, der vom Anblick der entstehenden Objekte inspiriert wurde, in das ein oder andere wieder zurückwandert. Was für ein gelungener Austausch!
Aber es geht ja während der Sommerakademie richtigerweise nicht um meine Texte, sondern um die der Teilnehmer.innen und deswegen freue ich mich sehr, dass ich auch hier, zur Beschreibung der Sommerakademie, auf den Text einer Teilnehmerin zurückgreifen darf. Margret Irmer (die nacheinander an beiden Kursen teilnahm) schrieb zum Schluss folgenden Text:
An schönen Sommertagen Geschichten schreiben,
die vor lauter Wörtern plätschern wie ein Bach.
Den Text immer weiter fließen lassen bis zur Mündung.
Stimmungen beschreiben, die unbeschreiblich sind.
Gedanken aufschreiben und Dinge umschreiben.
Gedichte schreiben und dabei selbst Flügel bekommen.
Die Wörter im Text miteinander tanzen lassen.
Auch für den Papierkorb schreiben, um seinen Sinn zu erfüllen.
Zum Architext werden.
Schreiben und schreiben lassen.
Ich genieße die Schreibsphäre.
Vielen Dank an Margret Irmer und auch an Odine Lang, die meine Anfrage nach einem Foto für diesen Beitrag im Urlaub erreichte – wo sie kurzerhand das obige „Musterhaus“ herstellte und fotografierte!
Im nächsten Beitrag werde ich von dem ganz anderen Austausch berichten, den es in der weilen Woche mit Birgit Nass und „ihren“ Kalligrafinnen zu den vier Elementen gab …
Liebe Jutta, das habe ich alles sehr gerne gelesen! Die Buchhausidee und die gegenseitige Inspiration finde ich ganz wunderbar, danke fürs Telen.
herzliche Abendgrüße an dich, Ulli
P.S. danke auch für die beiden Links, beise webseiten sind wunderschön und sind sehr inspirierend!
Liebe Ulli, das freut mich sehr! Ich habe selbst gestaunt, wie oft das Thema Häuser/Behausungen in den Texten der Teilnehmer.innen (und auch in meinen eigenen) auftaucht, wie zentral es ist … Ich wünsche dir einen schönen Tag und grüße herzlich!
Liebe Jutta,
ich kann einfach nicht anders, als dich an dieser Stelle als Diejenige, die einst unter dem Namen Haus aus Papier bloggte, herzlich zu grüßen 😉 Schön von Häusern aus Papier zu lesen!
Da kann ich nicht anders, als sofort zu schreiben, wie sehr ich mich über diesen Gruß freue – eindeutiger Beleg für die eindrückliche Wirkung, die Häuser aus Papier besitzen können 😉 Auf bald mal wieder!