Zwischen Effectuation und Storytelling – was habe ich bei den Ideenlotsen gelernt?

images-1Im vergangenen Jahr wurde ich als eine von 13 Kreativen vom Bremer Wirtschaftssenator Martin Günthner als „Bremer Ideenmacherin 2015“ ausgezeichnet. Weit wichtiger als die Auszeichnung war die damit verbundene einjährige Förderung durch die Bremer Ideenlotsen – ich hatte hier darüber berichtet.

Nun ist das Programm in der letzten Woche mit einem gemeinsamen Essen und einer letzten „Kollegialen Beratung“ ausgelaufen und ich habe mich gefragt: Was habe ich gelernt? Inwiefern wurden meine nicht eben geringen Erwartungen noch übertroffen? Wieso kam das Programm für mich genau zum richtigen Zeitpunkt?

Da die letzte Frage am einfachsten zu beantworten ist, möchte ich mit ihr beginnen: Ich habe mich viele Jahre lang nicht oder nur sehr am Rande für Fragen interessiert, die mit dem „Promoten“ meiner Texte zu tun hatten. Mit Bekanntheit, Öffentlichkeit, Marketing usw. Ich hatte genug damit zu tun, zu den Texten zu finden, die darauf warteten, von mir geschrieben zu werden. Eine Form dafür zu finden. Einen Ton. So selbstverständlich mir also eine gewisse Zurückhaltung schien, solange mich meine Texte noch nicht überzeugten, so sehr wünschte ich mir (mehr) Resonanz, als das endlich der Fall war. Aber was konnte ich dafür tun?

Diese Frage trieb sämtliche“IdeenmacherInnen 2015“ um: Wie können wir mit dem, was wir machen (auch kommerziell) erfolgreicher werden? Zur Unterstützung erhielten wir diverse Einzelcoachings, Kollegiale Beratungen und Workshops (z. B. zu „Gamethinking“und der Frage, ob und wie man die Spielfreude, die Menschen an Computerspielen finden, auch in ganz anderen Bereichen wecken kann?)

Und obwohl ich eine große Freundin des Konkreten bin, habe ich den Eindruck, dass für mich die wichtigste Erkenntnis eine eher allgemeine war: Ich hatte auf eine vage und nebulöse Art immer vermutet, dass ich umdenken, dass ich mich ändern müsse, um (auch wirtschaftlich) erfolgreich sein zu können. Ich müsse (mehr) Dinge tun, die mir eigentlich keine Freude machen. Ich glaube das nicht mehr. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass ich noch viel konsequenter mit dem arbeiten sollte, was mir Freude macht, was ich kann und was auch andere überzeugt (oder interessiert oder begeistert). Mit den Leuten, mit denen ich gerne kooperiere.

Vielleicht hätte ich das den klugen und sehr qualifizierten Beratern der Ideenlotsen nicht auf Anhieb geglaubt, wenn es nicht auch einen enorm erfolgreichen Ansatz gäbe, der auf ähnlichen Grundsätzen basiert: Effectuation. Effectuation ist aus der wissenschaftlichen Untersuchung der Frage entstanden: Wie verhalten sich erfolgreiche Serien-Gründer, also nicht nur solche, die mit einem Unternehmen Erfolg hatten, sondern mit mehreren (Stichwort „Entrepreneurship“). Die Prinzipien, die sich daraus ergaben, fand ich so verblüffend wie ermutigend:

Mittel- statt Zielorientierung (Was habe ich im Kühlschrank?); leistbarer Verlust (Was bin ich zu verlieren bereit?); Umstände und Zufälle weniger als Störungen, denn als Möglichkeiten begreifen und Kooperationen mit denen suchen, die mitzumachen bereit sind, statt nach den „richtigen“ Partnern zu suchen (diese Prinzipien und eine Vielzahl an Tools, Videos, wissenschaftlichen Artikeln zu Effectuation, Apps und vieles mehr findet sich auf der sehr empfehlenswerten Seite www.effectuation.at).

Für das, was  hier „Mittelorientierung“ im Unterschied zur üblichen „Zielorientierung“ genannt wird, gibt es ein wunderbar eingängiges Bild: den Kühlschrank. Was habe ich in meinem Kühlschrank, lautet also die Frage – statt im Rezeptbuch zu blättern und dann auf den Markt zu gehen, wo es vielleicht gerade den dringend benötigten Blumenkohl nicht gibt.

Was habe ich im Kühlschrank? Ja, was denn eigentlich? Davon berichte ich demnächst und vielleicht gibt es dann auch endlich erfreuliche Neuigkeiten, denn für mich vollkommen unverständlich, gibt es noch immer keine Zusage Bremens, dieses Programm fortzusetzen. Das ist umso erstaunlicher, als es mittlerweile von mehreren anderen Bundesländern übernommen worden wurde und das veranstaltende U-Institut zum Kompetenzzentrum des Bundes für die Kreativwirtschaft avancierte …

33 Kommentare

  1. Danke für das Teilen deiner Erfahrungen, liebe Jutta! Du bereicherst die Bloglandschaft (jaaa, das kann nicht oft genug geschrieben werden) enorm.

  2. Sehr gute Gedanken. Ich koch jetzt auch einfach öfter mit den Dingen, die im (Kühl)Schrank sind und gucke, was wird daraus.
    Ich glaube, das hat auch mit dem Genug zu tun. Ich bin genug. Ich habe genug. Ein Diplom macht mich nicht schlauer oder besser, mehr Geld nicht glücklicher. Erst einmal alle Ressourcen und Untiefen in sich selber ausschöpfen, was man noch braucht, kommt dann fast wie von allein dazu…

    1. Freut mich, dass du etwas damit anfangen kannst – und überrascht mich kein bisschen 😉 Was mir an dem Ansatz auch richtig gut gefällt: Loslegen! Ausprobieren, Erfahrungen sammeln. Steine ins Wasser werfen und mal schauen, was passiert. Ob etwas passiert. Etwas anderes werfen, wie auch immer …

        1. Mir käme es durchaus gelegen, wenn Kreativität und „auf Nummer sicher gehen“ sich vertragen würden – aber da es nun mal nicht so ist, hilft es natürlich sehr, kindliche Unbesorgtheit (wieder) zu entdecken …

  3. Sehr spannender Artikel! Ich habe mir auch deine empfohlene Homepage angeschaut und finde es super, was ich dort finde- klar, auch weil ich mich da in meinem Denken sehr wiederfinde. Im Studium beschäftigte ich mich mit dem Thema Prozess vs Produkt und ich gestehe ein absoluter Prozessfan zu sein, da ich diese Offenheit und Umwege, die sich ergeben mag, auch wenn sie manchmal echt anstrengend sein können. In den Punkten Partnerschaft statt Konkurrenz und Umstände /Zufälle nutzen statt vermeiden, finde ich mich auch wieder.

    Was ich auch noch schreiben wollte- alleine durch deinen Blog wurde ich neugierig und hatte mir dein Buch „Wiederholte Verdächtigungen“ gekauft, das mir übrigens sehr gut gefällt!!
    Ich lasse das mal so stehen, denn um Näheres zum Buch zu schreiben, würde ich zu viel des Inhalts verraten und das will ich nicht.

    1. Vielen Dank, das freut mich alles sehr! Für mich war das auch so, dass ich mich in vielem, was ich zuvor schon gemacht habe, bestätigt fühlte. Aber auch das sollte man nicht gering schätzen, denn (ich hatte das ja erwähnt) manches davon hielt ich eher für hinderlich … Und manches mache ich jetzt noch bewusster – z. B. auf die Leute setzen, mit denen ich wirklich gut arbeiten kann.
      Und dass dir die „Wiederholten Verdächtigungen“ gefallen, freut mich am allermeisten – denn meine Texte sind mir (natürlich) das wichtigste … Herzliche Grüße!

  4. Herzlichen Dank, Jutta, fürs Teilen so wertvoller Gedanken und Tipps! Übrigens: die Frage „was habe ich“ statt „was hätte ich gern – und solange ich es nicht habe, kann ich leider nix machen“ liegt auch meinem Ansatz zugrunde: ich mache Bilder aus dem, was ich „habe“. Für mich hat das auch pädagogischen Sinn bei meiner Beratungsarbeit hier in Griechenland: Schau, was du hast! (Das ist heutzutage oft sehr wenig). Ich verteilte zB ein weißes DinA4 Blatt unter den TeilnehmerInnen, das sollten sie zerteilen und Neues draus machen. Vieles, unendlich Vieles konnte entstehen.
    Du hast mich auf eine Idee gebracht! Ich werde das heute mal in meinem Blog vorstellen ….

    1. Liebe Gerda, es freut mich sehr, dass sich für dich so mühelos Anknüpfungspunkte finden lassen und freue mich auf deinen Beitrag im Blog. Schöne Idee: Wir zeigen uns gegenseitig, was in unseren Kühlschränken steckt ,-)

  5. Vielen Dank für dein hoch interessantes Resümee, liebe Jutta! Das Kühlschrank-Motiv gefällt mir sehr und der verlinkten Website statte ich gern mit etwas mehr Zeit einen Besuch ab. Als Schon-etwas-länger-Verfolgerin deines Blogs scheint es mir übrigens tatsächlich so zu sein, dass du in jüngerer Zeit große Marketing-Schritte gegangen bist. Bin sehr beeindruckt und denke, da könnte ich mir „ne ordentliche Scheibe von abschneiden“. 😉

    1. Liebe Maren, das freut mich! Und empfinde es selbst als ein sehr spannendes Thema, bei dem es ja auch darum geht, ganz unterschiedliche Aspekte unter einen Hut zu bekommen, nicht zuletzt den zeitlichen Aufwand. Und im Moment ist es z. B. so, dass der Generator den Blog ein bisschen sehr dominiert, aber der ist ja auch neu und ich habe länger darüber nachgedacht, ob ich ihn (kostenlos) online stelle und bin jetzt sehr zufrieden mit meiner Entscheidung 😉 Und du? Was würdest du denn gerne auf deinem Blog noch mehr nach vorne bringen?

      1. Ja, nicht zuletzt deinen wunderbaren Geschichtengenerator hatte ich im Sinn, Jutta. Zu deiner Frage in aller Kürze: Es ginge wohl in erster Linie darum, dass ich mein Blog überhaupt mal ernsthaft unter Marketinggesichtspunkten betrachte statt „nur“ als Spielwiese. 😉

        1. Liebe Maren, ich bin gestern nicht mehr dazu gekommen, deinen Kommentar zu beantworten, aber seit ich ihn gelesen habe, versuche ich herauszufinden, warum mir die Alternative „Marketinggesichtspunkte“ vs. „Spielwiese“ irgendwie unbehaglich ist. Obwohl sie natürlich einen Aspekt benennt, der selbstverständlich eine Rolle spielt: Verfolge ich mit meinem Blog (auch) Ziele, die über die reine Freude an der Präsentation, am Austausch hinausgehen? Das war bei mir von Anfang an der Fall. Ich wollte, dass Menschen, die sich für mich als Autorin, als Dozentin oder Geschichten-Anstifterin interessieren, einen Eindruck davon bekommen, wie ich arbeite und was mir wichtig ist. Und das klappt, glaube ich, ganz gut. Aber dennoch, ist dieser Blog das Gegenteil von einer „durchgeplanten“ Sache. Nur ein Beispiel: Vor einem Jahr sind die Wiederholten Verdächtigungen erschienen. Das wäre ein wirklich guter Anlass, etwas dazu zu machen – aber der Geschichtengenerator hat mich ein bisschen überrollt, also muss das noch ein bisschen warten. Und so geht es mir ständig ,-)

  6. Den Ansatz finde ich sehr gut. Es wird ja auch in vielen psychologischen Richtungen ressourcenorientiert gearbeitet und wie es scheint ebenfalls mit viel Erfolg. Auch wenn man sich zufriedene Menschen ansieht, so tun die zumeist das, was sie gut können …

  7. Das hört sich interessant an, Jutta.
    Oft bin ich traurig, dass ich so wenig zum Zeichnen und Studieren an der Uni komme, weil ich genau diese Dinge alle tun muß, die mich und meine Kunst vermarkten. Wäre die Zeit vorhanden, dann würde ich das gerne tun. Ich quelle oft über vor Ideen, wo ich meine Kunst noch zeigen oder welche Events ich veranstalten mit wem ich alles Projekte realisieren könnte.
    Zum Kühlschrank – ein Rezept ist kein Dogma, statt Blumenkohl kann ich Brocoli, Zucchini, Karotten oder was auch immer auf dem Markt kaufen. 🙂
    LG Susanne

    1. Liebe Susanne, ja, das ist natürlich die andere Seite! Und auch, wenn mir vieles, wie z. B. dieser Blog wirklich große Freude macht, fehlt natürlich ständig Zeit für das, was mir die allergrößte Freude macht: meine (literarischen) Texte schreiben … Herzliche Grüße!

  8. Liebe Jutta,
    Du weißt ja schon, dass Du auch eine begnadete Motivatorin für andere bist – daher danke, dass Du dieses Wissen auch so teilst.
    Heute habe ich einen ziemlich vollen Kühlschrank – aber leider ist der Strom ausgefallen … 🙂 Daher nur so eine kurze Randbemerkung verknüpft mit einem Dankeschön!

    1. Also so ein Stromausfall könnte ja auch der Anfang … Nein, Scherz! Ich wünsche dir sehr, dass er schon lange wieder da ist und danke dir sehr für das tolle Kompliment! Das kommt ganz oben in die Liste 😉

  9. Liebe Jutta,
    auch mir gefallen Deine Überlegungen und Ideen zum Kühlrschrank-Bild sehr gut. Mich treibt ein ganz anderes „Produkt“ um, für das ich mehr Resonnanz finden möchte. Also werde auch ich Deine Ideen bedenken und vor allem, auch mit ein bisschen mehr Muße, Deinem Linktipp folgen. „Effectuation“ macht mich jedenfalls sehr neugierig.
    Viele Grüße, Claudia

    1. Liebe Claudia, das freut mich sehr – vielen Dank! Wenn du auf dieser sehr informativen Seite unterwegs bist, wirst du vermutlich auch irgendwo auf den Rat stoßen, andere einzuweihen. Von deinen Projekten zu erzählen, weil sich vielleicht in unmittelbarer Nähe jemand befindet, der etwas ähnliches vorhat oder jemanden kennt oder, weil er dich z. B. schätzt, dir gerne einen Tipp gibt 😉

  10. Liebe Jutta,

    ich habe den Begriff Effectuation noch nie gehört, obwohl ich mich durchaus mit Unternehmerthemen schon beschäftigt habe… Sehr sehr spannend! Klingt gerade für Kreativleute in der Startphase nach einem wirklich guten Ansatz… und bereitet mir zufällig heute zwei, drei sehr gute Ideen, wie es mit meinen Unternehmungen weitergehen könnte. Merci beaucoup!

    Einen Linktipp habe ich noch: Ich lese wahnsinnig gerne den Blog von Eigenverlegerin Nathalie Bromberger und ihre wunderbaren Ideen zum Thema Businessplan & Co. http://www.nathalie-bromberger.de/category/business-plan/

    Liebe Grüße, Franziska

    1. Liebe Franziska, das freut mich sehr und ja, ich glaube, dass das für „Kreativleute in der Startphase“ richtig hilfreich sein kann. Ich kann auch das Buch sehr empfehlen. Und danke umgekehrt herzlich für den Linktipp – habe da eben schon mal einen raschen Blick geworfen und sofort Gefallen dran gefunden … Herzliche Grüße!

Ich freue mich über Kommentare!

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