(5) Geschichtengenerator in Aktion

2016-02-11 11-30-47 +0100

Auf Geschichten, in denen ein (glücklich oder unglücklich?) verliebter Erkan auftritt, freue ich mich schon sehr! Und da ich auf keinen Fall Eure Phantasie einengen möchte, seht Ihr Erkan hier schön und – ja, wie denn eigentlich? Seht ihr ihn stolz oder bekümmert, allein oder mit anderen stehen? Oder ist er gerade von seiner wunderbaren Verliebtheit abgelenkt – gibt es das überhaupt?

Wer möchte, kann zwei weitere „Geschichten-Generator„-Karten berücksichtigen, aber dabei auf keinen Fall die wichtigste Generator-Regel vergessen: Alles ist erlaubt! Es geht nur darum, eine Idee, einen Einstieg, einen Anfang oder einen Satz zu finden. Gezogen habe ich diesmal also die Karten: Erkan (ziemlich verliebt), Kantine und „Natürlich kann ich das!“)

2016-02-11 11-30-17 +0100

In dieser Woche (und in der nächsten) hat der Geschichten-Generator eine erste kleine Bewährungsprobe zu bestehen: Er muss ohne mich auskommen! Aber genau dafür habe ich ihn ja erfunden. Damit Menschen, die ich in Werkstätten als fröhliche GeschichtenschreiberInnen kennengelernt habe, auch zu Hause den kleinen Impuls finden, der oftmals fehlt, um in eine regelmäßige Schreibpraxis zu finden.

Nun hat sich mit der Online-Variante (bei der ja niemand allein mit seiner Geschichte bleiben muss) bereits ein so reger Austausch hier wie auf anderen Seiten ergeben, dass ich doppelt zuversichtlich bin, dass die Geschichten-Produktion auch ohne mich wie geschmiert weiterläuft – es wäre mir eine große Freude!

39 Kommentare

  1. Dein Geschichten-Generator ist eine klasse Idee! Das musste ich unbedingt mal loswerden und ich muss gestehen, dass der verliebte Erkan in der Kantine mit seinem „Natürlich kann ich das“ schon mein Gehirn triggert. In eine lustige Richtung vielleicht. Wenn das Objekt seiner Begierde in der Kantine sitzt und gerade mit Spaghetti Bolognese und wässrigem Birnenkompott kämpft. Langbeinig, schwarzhaarig, verführerisch. Und Erkan? Ist natürlich hingerissen, das ganze stolze türkische Männerherz vibriert vor lauter Liebe. Er versucht, besonders männlich zu sein und natürlich ungemein gut dabei auszusehen. Dazu gehört ein stolzer männlicher Gang mit erhobenen Kopf.
    Natürlich kann ich das! , denkt sich der verliebte Erkan. Dabei vergisst er allerdings leider, dass er mit einem Tablett beladen ist, auf dem er sein Essen transportiert. Er steuert den Tisch mit Wonderwoman an und da er damit beschäftigt ist, mit erhobenem Kopf und prächtigem Gang würdevoll zu schreiten und nicht zu gehen, übersieht er leider völlig einen dieser Stühle mit den herausstehenden Metallrohrbeinen und verhakt sich auf fatale Weise mit dem Fuß.dahinter. Das Tablett fliegt ihm aus den Händen, Erkan stürzt der Länge nach vornüber und fällt seiner Angebeteten kopf voran in den Schoß, auf dem allerdings einen Augenblick zuvor bereits das Tablett mit seinem Essen gelandet ist, so dass er mit der Nase mitten in den Nudeln landet. In der Kantine hallt ohrenbetäubendes Schweigen. Die Zeit kommt zum Stillstand, friert völlig ein. Irgendwo beginnt einer zu lachen, doch sowohl Erkan als auch Wonderwoman befinden sich noch in der Schockstarre der Geschehnisse. Was geschieht weiter….?

    Liebe Jutta, ich habe mal einen Anfang geschrieben, um zu zeigen, wie schön durch Deinen Geschichtengenerator die kleinen Grauen ins Fabulieren kommen. In diesem Fall ist es der pure Slapstick, fürchte ich, aber es machte mir viel Schreiblust und Freude, mir mein Hauptmotivator beim Schreiben.
    Einen ganz lieben Gruß zu Dir von Stefanie Karfunkelfee

  2. Ich verspreche dir gar nichts, aber wer weiß, vielleicht ist Erkan ein Mädchen und heißt Erka N. (wobei Erka natürlich von Erika käme, aber wer jünger als Jahrgang 1950 will schon so heißen?)… Mal sehen

    1. Sie heißt zwar nicht Er(i)ka, sondern „Erkan“ leitet sich vom Nachnamen her, aber heute bin ich gut. Erstfassung in zehn Minuten.

      Im Zug habe ich bei mir gedacht man müsste Nejla heißen oder so ähnlich. Nejla war mal eine äußerst schöne Frau, die ich kannte. Sie sah damals so wie eine Nadja aus und die Leute nannten sie Nadja.

      Mir brannten in dem Moment die Augen. Das ist mir schon einmal passiert. In der Kantine meiner Arbeit als eine andere so hieß wie du. Zuerst brannten mir die Augen und dann drückte es mir im Magen. Ich wollte nicht durch deine Stadt fahren.

      Sag mir, gibt es die Häuser noch? Diejenigen um die wir im Winter streiften, an den Tagen, an denen sich die Fassaden wie Licht von dem Weißgrund des frischen Schnees abhoben? Du fandest sie wirkten wie Kuchen. Da – eins aus Himbeertote und dort eins aus Schokoladenbiskuit.

      Ich musste so lachen, aber du sagtest, ich sähe verkehrt. Und dass du als Kind das aus Vanillepudding mit den Erdbeerfenstern wollest. Du hattest es dir zum Geburtstag gewünscht, aber dein Vater sagte, das ginge nicht. Es sei schon richtig, dass du später einmal irgendwo wohnen müsstest und es sei sehr nett, dass du alle eingeladen hättest dort einzuziehen, weil das Haus viele Wohnungen hat, aber er könne das Haus nicht kaufen. So viel Geld hätte er nicht. Im nächsten Sommer, erzähltest du, wurde das Haus aus Pflaumenkuchen, da wolltest du es nicht mehr.

      Der Kinderspielplatz war für dich wie aus Fruchtgummi. Die bunten Schnüre für 5 Pfennig oder aufgerollte Lakritzschnecken. In zwei Hälften gebrochene Butterkekse als Schaukelsitze.

      Der Spielplatz war leer. Du sagtest „Komm!“ und ich sagte, ich wollte nicht und habe mich deshalb geschämt. Ich wollte es für die Feigheit dir gegenüber, aber es war das ganz andere. Was du nicht wissen solltest.

      Ich will noch immer nicht, dass du das weißt. Es wäre besser gewesen wenn ich es selbst nicht gewusst hätte.

      Du sagtest wieder „Komm!“ und dann auch noch „Maria-Elisabeth!“ Ich nahm dir das nicht übel weil du Annekatrin heißt und ich damals die einzige war die das wirklich wusste. Die Leute sonst glaubten, du hießest Anja, aber ich hatte deinen Ausweis gesehen. Es war wie ein Geheimnis. Nur hatte ich dir meins nicht gegeben.

      Und wer wusste schon woher mein Name sich leitete?

      Du schriest „Marlies!“ und als ich nicht kam „Frau Kanner!“

      Sag mir, hast du jemals erfahren, dass aus dem letzten Wort mit dem Aufkommen der Technik später „Erkan“ wurde?!

        1. Das kam instinktiv. Ich glaube, da spielten zwei Faktoren mit rein, zum einen gab es ja – zumindest früher – diese Namensdreher in Emailadressen tatsächlich, wenn man Zahlen hinten dran vermeiden wollte.

          Zum anderen ist diese Figur allein durch den Namen Maria-Elisabeth Kanner schon charakterisiert. Keine Großstadtstadteltern auf der Höhe der Zeit vergaben in den 70er/80er Jahren außerhalb konservativer Kreise so einen Brecher, und 60er dürfte schon hart an der Grenze gewesen sein, so dass das genaue Jetzt-Alter keine Rolle für die Figur spielt, da steht ja, dass sie zu DM-Zeiten Kind war, das reicht. Kanner weist auch eher auf eine süddeutsche oder österreichische Herkunft hin. Da kann dann so ein Dreher für die Emailadresse, in nun einmal einen türkischen Männernamen so eine Art letzte oder vielleicht auch erste oder einzige Emanzipation von der eigenen Sozialisation sein, zumal in dem Stück – wirklich so runtergeschrieben – ja nicht klar wird, ob Marlies gemäß dem was sie fühlt, das sie ist lebt oder je gelebt hat oder ob sie in ein Leben dagegen gegangen ist. Es ist theoretisch möglich, dass sie sich selber verleugnet und zu Hause einen Mann und Kinder sitzen hat während sie sich emanzipiert empfindet weil sie was arbeitet. (Kantine weist für mich auf einen Bürojob hin, galt auch eher als Frauenberuf, in den sie sich begeben haben könnte weil das ja auch Männer machen und es sie weniger „stigmatisiert“ als beispielsweise Krankenschwester oder so was.)

            1. Seltsamerweise – ich werte das als positive Entwicklung meinerseits – die ganzen Stücke für dein Generator-Projekt, alles immer raus wie es kommt, sind alle so, dass ich wenn ich sie mit Abstand lese erstrecht sage „Gut gemacht“. Über die Schulranzen-Sache dachte ich auch nicht nach, über den anderen Viktor, den kurzen mit der Gott-Box nicht, und diese Montage über Luise kam auch so. Für mich ist das ein Beweis, dass der Fluss immer Recht hat, ich das aber mitunter verweigere zur Kenntnis zu nehmen. (Insbesondere mit dem, was sich bei mir – kein Problem, wenn du die nicht gelesen hast – in den letzten Posts andeutet. Ich komm da nicht aus dem Quark, weil ich mich weigere einfach zu machen. Obwohl ich doch gleichzeitig bei den Generator-Stücken sehe, ganz verschiedenes Zeug, zum Teil so wie ich noch nie gemacht habe, ohne Nachdenken raus, auf Deutsch gesagt „Scheiß drauf!“, und das sind gute Sachen. Auf meine Marlies bin ich jetzt noch stolz und die habe ich ja sogar „rübergeholt“ zu mir aufs Blog, also weiß ich doch, dass alles gut geht.)

              1. Ich kenne niemanden, der oder die schreibt und nicht manchmal/immer/oft mit Druck zu tun hätte, mit Besorgnissen oder dem Gefühl, dass das alles so nicht geht, nicht gut ist, sinnlos usw. Für nicht wenige ist das DIE zentrale Herausforderung beim Schreiben. Und ich glaube der Generator nimmt einiges von dem Druck weg, weil es so offensichtlich ein „Spiel“ ist, eine Einladung zu etwas „Kleinem“ – es steht einfach nicht so viel auf dem Spiel … Und wenn sich das im eigenen Tun etabliert hat, wenn jemand einige Male diese Erfahrung gemacht hat, dann lässt sie sich auch irgendwann übertragen. Bestimmt! Schöne Grüße!

                1. In der ARTS- Inventur, ich mache die Fragen manchmal auch so wenn ich mit etwas nicht weiterkomme, egal ob Text oder Installation, gibt es eine Frage, die heißt Ist mir klar, dass Selbstzweifel unter Künstler/innen normal sind? Selbstzweifel sind ein weites Feld und Druck gehört dazu, wie man es nimmt, es trifft also jeden. Das Problem ist ja immer, dass man das weiß und sich mitunter dennoch immun glaubt. Oder ähnliches. Oder man ist zu überschwänglich, dies oder jenes…

                  Heute früh in meinen Seiten – ich mache die Morgenseiten unabhängig vom Julia-Cameron-Buch oder ARTS oder sonst was, hat sich so ergeben, mur hilft es – meditierte ich über deinen Generator und bekam die Idee mir in das Heft drei Kärtchen zu malen, ein Kärtchen für jeden Sachverhalt, den ich bis dato von dem, was sich gerade entwickelt kenne. Und wie ich das mache, wirklich genau in dem Moment, löste sich etwas. Das war plötzlich freier, nicht mehr als „Projekt“ oder eventuelle Geschichte in meinem Kopf sondern Da sind drei Tatsachen, mehr weiß ich nicht und damit ist alles offen. Und wie ich das dachte kam mir, weil der Generator ja Spiel ist und Spiel so etwas wichtiges, aber hochkompliziertes ist, der Gedanke So, so und so könnte es gehen, nur zum Spielen, schauen was wird und dann sein lassen, im Sinne von einfach nur mitgehen wenn es passiert. Es überträgt sich also selber. Ich überlege jetzt die ganze Zeit für dieses „Projekt“ (da, schon wieder das Blockade-Wort!) nur mit losen Notizzetteln zu arbeiten, damit diese Einstellung sich nicht sabotiert: Zettel voll – weglegen und mit nächstem Zettel wie es gerade kommt weiter, bis nichts mehr kommt, dann erst Zettel sortieren. So ähnlich hat das schon mal für mich funktioniert. Jetzt wäre es aber dennoch anders, weil mein Beginn ja wirklich diese drei von mir selbst verfassten „Karten“ sind. Da steht ein Name, ein Ort und eine Eigenschaft. Sicher spannend was draus wird, wenn ich diese Zettel irgendwo „vergrabe“ und auch sie nicht mehr ansehe, sobald die ersten anderen Zettel stehen.

                  1. Ich freue mich wirklich sehr darüber, wenn der Generator dazu beiträgt, in eine offene, experimentierfreudige Haltung zu kommen. Und ich kann sofort nachempfinden, dass das Verwenden von Karten einen solchen Effekt haben kann. Es ist, glaube ich, so: Wie müssen uns immer wieder neu überlisten und mir hilft der Gedanke, dass ich Qualität nicht durch „gut machen wollen“ erreichen kann, sondern durch einen Prozess an dessen Anfang steht: Mutig loslegen, ausprobieren und auch „Peinlichkeiten“ aushalten …

                    1. Genau. Vorhin hatte ich wieder fünf Minuten „Ich schmeiß das Ding in die Ecke“, dann fiel mir ein, dass ich eventuell collagieren kann insoweit als dass ich vielleicht gar nicht neu anfangen muss, im Sinne von ganz von vorne. Ich habe mit dem Kollaps damals auch ein Nebenprojekt beerdigt, dass mir gut gefiel, weil ich das Ding eben nebenher runterschrieb, aber ich beerdigte damals eben alles und dann kam mir der Gedanke, warum pappe ich das was ich gestern und heute „gekritzelt“ habe (ich mach das alles per Hand im ersten Durchgang) nicht einfach da dran und schaue ob es irgendwann verschmilzt. Das meine ich so: Bei mir ist ein großer Blocker, dass ich irgendwann im Kopf habe „Ich habe keinen Kontext“, wenn ich aber alle meine Zettel auf diesen schon existententen Kontext zuschneide (die Richtung stimmt eh, die Thematik und der vermutliche Konflikt sind identisch, die feststehende Person ist eine Abwandlkung von einer, die dort wichtig war), gibt es den nicht, diese Blockade ist also weg, dann kann ich doch mal gucken was das gibt. Spannend allemal… Das wichtigste ist nun dran bleiben. Ich habe jetzt aber auch einen wichtigen Punkt, den ich früher nicht hatte, der macht mit das vielleicht leichter: Ich bin Papiermensch, heißt, ich habe das alles immer auf Papier gesehen. Jetzt habe ich das Blog. Das heißt, ich kann schauen was passiert, wenn ich mir sofort immer wieder dieses „Papier-Bild“ ausrede.

                    2. Ich habe viel Erfahrung mit der langwierigen Suche nach der richtigen Form und weiß daher, wie aufreibend das sein kann … Bei dir hört es sich so an, als wäre auf eine gute Weise Bewegung in die Sache gekommen. Würde mich sehr freuen!

      1. Wurde dann ja die Marlies draus… Aber könnte man natürlich auch in der Zukunft ansiedeln. Es werden wieder viele alte Namen vergeben. Warum sollte zwischen den ganzen Emma, Ella, Frieda, Gerda nicht auch auch eine Erika sein. Die bräuchte nur mit Nachnamen Neumann (oder so) zu heißen und ihren Namen aber so was von Scheiße finden, dass sie im Jahr 2030 aus Verzweiflung nicht mehr ein und aus weiß oder so. Dann könnte sie natürlich eine Schwester namems Heidi haben und irgendwer das Lied von Gitti und Erika ausgraben… Dummerweise bin ich mit der Jugendperspektive überhaupt nicht gut.

  3. Hey Jutta, ich bin eben über Dagmar hier gelandet und habe meine Finger mal machen lassen.
    Ich fürchte, es finden sich Rechtschreibfehler.. und ich habe nicht so viel Erfahrung mit komischen Texten. Vielleicht ist er aber trotzdem ganz okay geworden 🙂
    Super Seite, übrigens!!

    Erkan und Stefan: Kurz vor der Rente

    (Als kleine Schwester zwei großer Brüder wuchs ich mit den beiden unfreiwillig auf. Ich erinnere mich lediglich an dicke Goldketten, weite Jogginganzüge, Cappies und Sonnenbrillen.
    Doch heute geht es den beiden anders: )

    Stefan, inzwischen kurz vor dem Rentenalter, arbeitet in einer bekannten Agentur. Leider kann man ihn dort nicht einfach so besuchen, braucht man zum Eintreten in die Büroräume eine Chipkarte. Erkan aber dachte sich: „Tzz. Natürlich kann ich das.“ und wartete geschickt ab, bis einer Stefans hochnäsiger (aus gutem Grund, gehörten sie zu den wenigen Journalisten mit Festanstellung in der heutigen Zeit) Kollegen die Glastür manneskräftig aufstoßen würde, und ihm genau 4x bis 21-zählen Zeit lassen würde, hindurch zu schlüpfen.
    Er war gut vorbereitet. Trug ein Hemd, darüber einen blauen Strickpulli mit V-Ausschnitt und eine beige Cordhose. Seine schwarzen Sneakers glänzten. Er war bereit. Schaute auf die Uhr, 12.34 Uhr. Es konnte jeden Moment losgehen, würden die meisten zum Mittagessen außerhalb essen, Sushi war gerade beliebt.

    Dann war es so weit, eine schlanke, streng aussehende junge Frau stöckelte auf die Tür zu, Erkan ging selbst bewusst auf sie zu, lächelte sie schon durch das Glas an und winkte ihr zu. Dann änderte sich seine Handbewegung in ein „Komm schon, Ladies first.“ Und schon ar die Tür auf. Er grüßte sie, sie grüße zurück.
    Erkans Herz klopfte etwas zu stark, durch tiefes Einatmen und ruhiges weiterschreiten, verflog es aber schnell wieder. Es lief alles einfacher, als gedacht.

    Er hatte keine Ahnung, wo Stefans Büro war, lief also den langen Flur entlang, möglichst unauffällig in die offenen Räume schauend.
    Und dann roch er es, Stefans Aftershave. Es war noch immer dasgelcihe. Nie hatte er es vergessen.
    Nach zwei weiteren Türen erreichte er die Geruchsquelle. Sah ihn, wie er konzentriert auf den Bildschirm starrte, daneben das Bild seiner Frau, und seinen drei Kindern.
    Erkan seufzte. Auch in diesen Jahren war Stefan noch ein wunderschöner Mann. Athletischer Körper, intelligente Gesichtszüge. Und nun umhüllte ihn auch noch ein maßgeschneiderter Anzug.
    Erkans Herz raste wieder, schneller als zuvor, er kniente sich nieder und fragte:
    „Ich dachte, wir sehen uns in der Kantine?“

  4. Ich lachte über mich und meine gedanklichen Wortspiele, während ich mein Spiegelbild betrachtete:
    Adidas-Samba-Schuhe, verwaschene Bluejeans und ein schwarzes Hemd. Kurze Haare, habe ich sowieso. Mein Geschlecht ist undefinierbar in diesem Moment. Kan(n)Tine für einen Mann gehalten werden?, denke ich in der 3.Person über mich. Der Spiegel zieht den linken Mundwinkel und die Augenbrauen ziemlich selbstverliebt in die Höhe. Ja, natürlich! Er Kan(n).

  5. Erkan (ziemlich verliebt), natürlich kann ich das, Kantine.

    Und dann war er in der Heimat seiner Eltern, wie jedes Jahr. Nur, dieses eine Mal ohne sie. Er wollte diesem Gespür nachgehen, dass immer bei ihm anklopft. Zu den unmöglichsten, unpassenden Augenblicken. Dieses Gefühl machte ihn sprachlos, machtlos. Ohne sich bewegen zu können überkam es ihn. Immer zur gleichen Jahreszeit, dem Frühling, wenn die Tage länger wurden.
    Ein weicher Duft durch die Straßen wehte. Die Erde aufbrach und danach verlangte bearbeitet zu werden.
    Erkan legte sich auf den braunen Boden, griff in ihn hinein. Spürte deutlich den erdigen Geruch. Sog ihn mit jeder Faser seiner Sinne ein. Fast bis zur Bewusstlosigkeit. So, so muss sie riechen.
    Wie Erde, wie die Urmutter. Sie müsste das Versprechen der Fruchtbarkeit abgeben, ohne es auszusprechen. Er müsste es fühlen können.
    Heimweh, ist es Heimweh, oder nur die tiefe Liebe zur Heimat seiner Familie. Es fühlte sich eher wie Fernweh an. Ein Bewegungstrieb, sich auf die Wanderschaft zu machen.
    Erkan hatte das Empfinden ohne Wurzeln zu sein. Wohin, fragte er sich wird mich mein Leben führen? Alles brach in ihm auf. Wie ein einziger Vulkan. Es brodelte unter seiner Haut. Es kochte, es lief über.
    Er war jung, so jung wie man nur sein kann, wenn alles in einem brennt. Erkan stand in der Kantine vor der großen Schwenkpfanne. Der Blick zu seinem Vater, sagte:“ Natürlich kann ich das“. Ich kann, und dann ging die Flügeltür zum Speisesaal auf. Das was er sah, nahm ihm fast seine ganze körperliche Kraft.

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