„Das wird was Größeres“ – Erste Schritte auf dem Weg zur längeren Geschichte

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Manchmal stoßen wir, ohne dass wir es geplant oder beabsichtigt hätten, auf eine Idee und stellen fest: Das wird vom Umfang etwas Größeres! Vielleicht haben wir uns das gewünscht, vielleicht auch nicht, in jedem Fall stellt sich die Frage, wie es nun weitergehen kann. Eine allgemeingültige Antwort scheitert natürlich auch hier an den ganz unterschiedlichen Bedingungen des jeweiligen Einzelfalls, an Fragen der Schreiberfahrung und der bevorzugten Arbeitsweise (planen oder drauflosschreiben) und des Genres (Thriller oder sprachliches, eher handlungsarmes Wunderwerk).

Wenn wir den Fall des handlungsarmen Wunderwerkes zunächst einmal vernachlässigen, könnten wir das Problem so beschreiben: Wir möchten eine Geschichte schreiben, aber wir kennen sie nur zu einem (Bruch)-Teil.

Was ich empfehlen kann: Alles aufschreiben, was man weiß! Oft wissen wir nämlich mehr, als uns bewusst ist und aus den dann doch schon vorhandenen Details ergeben sich weitere. Wir können uns dabei an einem Zeitstrang orientieren (vielleicht kenne ich ein Detail des Endes oder vielleicht auch das ganze Ende, aber nicht den Anfang) oder wir können die Namen der Figuren aufschreiben und alles, was wir von ihnen „wissen“ oder uns vorstellen können oder uns fragen. Ich habe am Anfang vor allem Fragen: Könnte x so und so sein? Könnten sich A und F früher schon einmal begegnet sein? Gut ist, gerade am Anfang offen zu bleiben für unterschiedliche Verläufe und Details. Immer auch noch eine Alternative durchzuspielen (aber das  ist für „Schreibnovizen“ kaum zu schaffen).

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass sich auf jeder Seite einer Geschichte durchschnittlich drei Ideen verbergen, das finde ich eine etwas seltsame Überlegung, aber in jedem Fall benötigen wir für „etwas Größeres“ auch eine ziemlich große Zahl an Ideen und alles auf einem großen Bogen Papier unterzubringen, könnte eine erste Möglichkeit der Orientierung bieten.

Wenn wir auf diese Weise über unsere Geschichte spielerisch nachdenken, könnten wir im Kopf behalten, dass wir eine Handlung benötigen, dass also etwas geschehen muss und dass das im Fall der meisten Geschichten spannend sein soll. Nahezu alle herkömmlichen Schreibratgeber reden in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit von Konflikt! Konflikt! Konflikt! – ich habe in Werkstätten schon oft erlebt, dass dieser Begriff in die Irre führt und bevorzuge daher die Rede von „Schwierigkeiten“, die wir unseren Figuren zumuten müssen. Etwas ist nicht so, wie es sein sollte – und es gibt dafür keine einfache Lösung …

Was meint ihr? Wie lassen sich Ideen weiterentwickeln? Findet ihr die notwendigen Einfälle eher planend oder eher drauflosschreibend?

8 Kommentare

  1. Liebe Jutta, ich habe vor nun 10 Jahren ein Buch geschrieben, das ich, nach dem griechischen Wort für Roman, „Mythenerzählung“ nenne. Über den Schwan wollte ich schreiben. Daraus wurde, drauflosschreibend, „was Größeres“, nämlich ein 700 Seiten-opus, das seither seiner Vollendung entgegenträumt. Meine Frage: wie schneidet man ein übergroßes Gebilde, das vor Ideen nur so strotzt, zurück auf ein handliches Format?? Hm, nein, ich erwarte keine Antwort, denn ach, ich liebe alle meine Ideen, die darin vorkommen und noch etliche mehr. 😦

    1. Liebe Gerda, deine Frage hat mich sehr an eine Situation erinnert, die ich einmal in einer Werkstatt erlebt habe: da fragte eine Teilnehmerin mit einem ungläubigen und auch ein bisschen überforderten Unterton: „Und jetzt soll ich auch noch an die Leser denken?!“ Wir mussten alle lachen, weil es ihr so „rausgerutscht“ war. Die Situation, die du beschreibst, begegnet mir häufig in Werkstätten, aber selten bringt es jemand so klar auf den Punkt wie du: Dient der Text vor allem meiner Schaffensfreude oder möchte ich ihm eine Form geben, die es auch LeserInnen ermöglicht, daran Freude zu finden? Zusatzfrage: Könntest du dir vielleicht vorstellen, mit zwei Versionen zu arbeiten?

        1. Ja, das war wirklich ein sehr komischer Moment, weil das Gefühl der „Zumutung“ darin so befreiend zum Ausdruck kam. Und an „den Leser, die Leserin zu denken“ ist eben bisweilen genau das: eine „Zumutung“ ,)

  2. Meine Zeichnungen finde ich zuerst im Kopf und entwickle sie auch zuerst im Kopf. Erst am Schluß des Denkprozeß entstehen sie auf dem Papier. Nur so kann ich sie lebendig gestalten.

  3. Das sind interessante Fragen und Denkanstoesse… Mein einziges längeres Werk ist ein Drehbuch für einen Langspielfilm welches Teil meines Masters war und an dessen Komplexität ich fast gescheitert bin. Mit komplex meine ich nicht den Stoff selber 😉 sondern alles andere, die Struktur, Plot, Charactere, Dialoge, pacing etc… Im Nachhinein glaube ich das meine Figuren nicht wirklich menschlich durchdacht und ausgereift waren sondern eher Archetypes und die Handlung von mir vorgeschrieben wurde…im Sinne von deus ex machina.
    Die Tragweite meines schreibenden Unternehmens war mir nicht wirklich bewusst oder ich war nicht reif genug, jedenfalls hat es ein paar Jahre gedauert bevor ich wieder erste Schritte in die Schreibwelt wagte.
    Das klingt jetzt ein bischen wie AA (Anonymous Authors) Selbsthilfegruppe, aber das Fazit ist, ich habe keinen wirklichen Schimmer wie sich eine lange Geschichte schreibt 🙂

  4. Das sind wirklich große Fragen und ich denke darüber anders, als manche (viele?) andere. Und fühle mich von den Erfahrungen, die du beschreibst bestätigt: Ich glaube, dass es viele Menschen, die eine gute Geschichte entwickeln wollen, in die Irre führt, wenn sie sich an einer vorgegebenen Struktur orientieren. Geschichten „funktionieren“ auf unterschiedliche Weisen und statt krampfhaft nach etwas zu suchen, das ein „Wendepunkt“ sein könnte, halte ich es für sinnvoller, die „Erzählkompetenz“ zu schulen und zwar unter dem Aspekt der jeweiligen, konkreten Geschichte: Was benötigt genau diese Geschichte? Was könnte sie tiefer, überzeugender, spannender, usw. machen? Und aber eben auch: Womit könnte man anfangen?!

Ich freue mich über Kommentare!

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