Die Beschäftigung mit dem Herta-Müller-Zitat geht weiter

Ich hatte zuletzt hier darüber geschrieben, wie mein eigenes Nachdenken über „das Autobiografische“ durch den Austausch hier auf dem Blog eine neue Wendung nehmen konnte.

Nun hat Susanne Haun zu dem Zitat eine Zeichnung angefertigt, die Teil ihres Projektes „Was geschah im Jahr Null?“ ist und wiederum das Zitat aufnimmt: „Wenn wir schweigen, werden wir unangenehm, wenn wir reden, werden wir lächerlich“.

Für mich ist das Schweigen, der Umgang mit dem Unsagbaren, dem Nichterzählbaren zentraler Bestandteil meines Schreibens. Deswegen ist meinem Roman „Wiederholte Verdächtigungen“ ein Zitat vorangestellt: „Das Schweigen ist keine Pause zwischen dem Reden, sondern eine Sache für sich“. Es ist von Herta Müller …

32 Kommentare

  1. Was im jahr Null geschah kann ich dir nicht sagen. Was jetzt geschieht ist mir auch oft unklar / Manchmal bin ich mit einem guten Butterbrot und einem Buch schon zufrieden. Grins

  2. Liebe Jutta, schön, wie es zwischen dir und Susanne hin- und herschwingt! Das gefällt mir sehr und ich finde darin viel Inspiration und N a c h denkliches.

    Was du in deinem letzten Absatz über das Schreiben und das Unsagbare sagst, da schwinge ich mit dir, besonders seitdem es die kleine blaue Frau gibt. Manchmal sitze ich hier, lese sie, staune über ihrs, aber dann frage ich mich auch, ob das je jemand wirklich kapiert? Na schauen wir mal, das ist nun wirklich nicht meine Hauptsorge 😉
    Und ja: Schweigen ist eine Sache für sich- je länger ich mich durch dich und Susanne damit beschäftige, umso mehr Facetten bekommt es-
    ja, so stelle ich mir immer wieder Bloghausen vor und so ist es eben auch immer wieder: Austausch, Inspiration, Debatte- danke

    herzlichst
    Ulli

    1. Liebe Ulli, vielen Dank fürs Mitschwingen und -reden und -machen – mir gefällt das gerade auch sehr und es kommt mir so vor, als wenn manches, das für mich in sehr verdichteter Form mit den „Wiederholten Verdächtigungen“ verbunden ist, sich nun auf eine gute Weise „entblättert“ (mir fällt gerade keine andere Formulierung dafür ein 😉 Viele Grüße!

      1. Liebe Jutta, immer noch habe ich dein Buch nicht gelesen, shame on me … das wird sich jetzt hoffentlich bald ändern! Dann kann ich vielleicht noch einmal anders mitreden …
        liebe Grüsse

  3. Für mich ist Schweigen ein Macht Instrument.
    Alle Menschen die reden können und könnten, setzen dieses Instrument ein.
    Schweigen ist destruktiv, weil es viele negativen Seiten in uns weckt.
    Wenn Eltern gegenüber Kindern schweigen, wie sieht da die Entwicklung aus.
    Wenn der Pastor auf seiner Kanzel steht und schweigen würde, was wäre mit unserem Christentum?
    Wenn das Gesetz schweigen würde, würde kein Recht geschehen.
    In der Tat, „Schweigen“ ist eine Sache für sich.
    Es ist nicht Stille.
    Es ist nicht Rückblick, nicht Voraussicht.
    Schweigen ist für mich dominierend, manipulativ. Ich denke, und dabei spreche ich nur für mich, ich will für mich verantwortlich mit dem „Schweigen“ umgehen.
    Herzlichen Gruß

    1. Liebe Monika, mir hat dein Beitrag noch einmal sehr eindrücklich vor Augen geführt, wie sehr Macht und Ohnmacht auf beiden Seiten liegen können: bei dem, der schweigt genauso wie bei dem, der „angeschwiegen“ wird. Ich danke dir dafür und grüße herzlich!

  4. Ja das Schweigen ist was eigenes und doch sehr sehr verschieden. Ein nicht können oder nicht wollen ein wissentliches oder unbewußtes…großes Thema, und wichtig, grade für uns in Deutschland und die Aufarbeitung unserer Geschichte. Wieviele Menschen konnten nicht anders als schweigen und haben weitere Schweiger hervorgebracht und wieviele fanden keine Worte. Wieviele wußte nicht wie Fragen und wieviele suchen nach Antworten….

    1. Ja. Etwas eigenes und doch sehr verschieden. Das trifft es gut. Gerade empfinde ich diese Verschiedenartigkeit so sehr, dass es mich erstaunt, wie diese so unterschiedlichen Phänomene mit einem identischen Wort bezeichnet werden können …

        1. Ich bin leider keine „Sprachexpertin“, die das beurteilen könnte. Aber es ist ja oft ein ganz interessanter Gesichtspunkt: welche Differenzierungen ermöglicht, erleichtert uns die jeweilige Sprache …

          1. oh ich auch nich, aber mir ist es hin- und wieder aufgefallen das es für bestimmtes eben kein Wort gibt und ich dann umschreiben muß…ich dann dann an die Eskimos und Lappen die ja z.B. hundert Wörter für die unterschiedlichen Schneesorten haben (oder so) 😀 und mir fällt für mich persönlich auf das ich manchmal eher gern was in Englisch sagen möchte weil ich finde das es dann mehr auf den Punkt gebracht ist – gibt es sicher auch andersrum. Deswegen interessieren mich z.B. auch immer Synonyme und Wortstämme etc.

  5. Liebe Jutta,
    ich lese gerade das Buch „Ein Mann namens Ove“, das u.a. auch vom Schweigen und Reden handelt. Manchen Menschen ist es nicht gegeben, zu reden und doch drücken sie in ihrem Schweigen alles aus!
    Liebe Grüße und danke für diesen Austausche von Susanne

  6. Ein interessantes Thema. Ich denke, dass es manchmal eine Zeit des Schweigens benötigt, damit sich Buchstaben zu Worten zusammensetzen können. Erst, wenn ich etwas formulieren kann, gelingt es mir auch dies zu begreifen und für mich wahr zu nehmen/ anzuerkennen. Dies würde ich das „suchende oder arbeitende Schweigen“ nennen. Bei machtvoll/manipulierendem Schweigen denke ich, dass es bereits klar ausformulierte Worte gibt, denen durch das Verschweigen noch mehr Macht gegeben werden soll. Die Gedanken können nur deshalb ihre Macht ausüben, weil sie schon da und schon gedacht sind.
    Liebe Grüße
    Pauline

    1. Liebe Pauline, ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut! Und vielleicht ist es deine Gegenüberstellung, die mich darüber nachdenken lässt, dass es ein Schweigen gibt, das auf Worte, auf Sprache bezogen bleibt (als Widerpart) und eines, das „quer“ dazu liegt, die Sprache gewissermaßen unterläuft, unterwandert …

      1. Liebe Jutta, „ein Schweigen, das die Sprache unterläuft und unterwandert“- das finde ich gut ausgedrückt, (spricht etwas in mir an) darüber denke ich nach. Meinst du damit auch ein Schweigen, das durch zerstörte Worte entsteht (obwohl, nee, dann ists doch wieder auf Worte bezogen?)- oder gab es als Ursache für dieses Schweigen überhaupt nie die Gelegenheit zu Wort zu kommen? Oder ist dieses Schweigen die Stille an sich und genügt sich selbst? (oh, ich schweife aus)

        1. Ist es immer Schweigen, wenn Menschen beieinander sind und nicht reden? Gibt es ein Schweigen auch für sich, mit sich allein? Welche Form des Nichtredenkönnens ist Schweigen? Alle oder nur die, wo Worte zumindest unausgesprochen zu Verfügung stehen? Ich danke dir sehr für deine (überhaupt nicht abschweifenden) Hinweise und könnte vielleicht mal wieder einen kleinen Post dazu schreiben 😉

          1. Ein In-sich-versunken-sein, während eine andere Person daneben steht- ist das ein Schweigen? Wer definiert es? Erlebt es die Person daneben wie ein Anschweigen, während es die Andere vielleicht gar nicht registriert? Wie kommt es generell zu einer Bewertung der Stille? Das Nichtredenkönnen ist, so finde ich, doppelt schlimm. Die Person, die nicht reden kann, fühlt sich schlecht – sie ist wie eingesperrt in einer Stille, die sie nicht gewählt zu haben scheint und die noch dazu in ihr vermutlich eher selten still ist. Ein nachbohrendes Gegenüber spiegelt dieses Schweigen (aggressives Nachfragen, geschieht häufig aus Hilflosigkeit, denke ich. Das Schlimme daran ist, dass diese Art nachzufragen so viel Druck aufbauen kann, dass dieser Druck das Nichtredenkönnen noch verstärkt…) Hmmh, und dann gibt es vielleicht auch diejengen, die durch ganz viele andere Worte zu einem ganz anderen Thema das Schweigen (Nichtredenkönnen) in sich selbst zuzudecken versuchen und alles dafür tun, damit es nicht zu laut wird? Ein kleiner Post dazu, würde mir gefallen 😉

            1. Vielen Dank für diese Gedanken! Erst durch diese letzte Runde hier mit dir ist mir klargeworden, wie sehr das Schweigen (oder jedenfalls eine bestimmte Form davon) für mich die Kehrseite meines „Mottos“: „Meine Geschichte schreibe ich selbst“ ist. Ich habe dazu immer mal wieder auf dem Blog etwas geschrieben, das werde ich dann demnächst wohl mal wieder tun … Nochmals: herzlichen Dank für diesen schönen Austausch!

              1. Ich danke dir ebenso herzlich für diesen Austausch! Es ist ein Thema, das mich sehr zum Nachdenken anregt, deshalb bin ich ja froh hier davon zu lesen!

Ich freue mich über Kommentare!

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