Seit langem beschäftige ich mich mit der Idee eines Geschichten-Generators, der auf spielerische Weise zum Erzählen, zum „Drauflosschreiben“ einlädt, denn immer wieder begegne ich Menschen, die mit großer Lust und Ausdauer schreiben – wenn sie nur eine minimale Anregung erhalten. Nun habe ich in den letzten Jahren einiges ausprobiert und hier auch darüber berichtet und bilde mir ein, dass ich kurz vor der „Marktreife“ stehe. Zuletzt war ich mit der Grundidee schon sehr zufrieden, aber noch nicht mit der Form. Ein Besuch des Logbuchladens, der ja nicht nur mein Heft „Es wäre schön“ feilbietet, sondern auch eine große Auswahl an „Papierarbeiten“, brachte vermutlich den Durchbruch. Aber mehr dazu demnächst …
Heute hingegen gibt es eine ganz „normale“, klassische Schreibanregung, die mir (auch) wegen ihrer Übersichtlichkeit gefällt:
„Ist das alles?“
Wer sagt das – und zu wem? Und wo?
Wer Lust hat, schreibt auf, was ihm oder ihr in den Sinn kommt: in das Kommentarfenster oder auf den eigenen Blog, ins Tagebuch oder mir per E-Mail (und ich stelle es hier ein).
20. Juni 2015: Monika Bartel, Bremen
Ist das alles.
Nur so, einfach nur so, und das nun schon zum vierten Mal in diesem Monat. Es geht nicht mit rechten Dingen zu, sollte man meinen.
Immer in der Nacht, wenn alle schlafen. Es ruhig ist, wenig Verkehr.
Die Stadt, ihren eigenen, melodischen Rhythmus folgt.
Ergänzt, durch die nächtlichen Geräusche, des klacken von Türschlössern, wenn ein Heimzögler bemüht ist, leise und unbehelligt, ins Haus zu kommen. Pforten die, von nach Beute spähenden Katzen, geöffnet, oder Deckel an Briefkästen, die verhakt, nach dem letzten Einwurf, schließen.
Dem quietschenden Schienengeräusch, der zuletzt fahrenden Straßenbahn und dem sanften Rauschen der Blätterkronen, des nahen Parks.
Eine Symphonie, der besonderen Art.
Immer dann, wenn er, in den frühen Morgenstunden, der späten Nacht, die erste Runde mit dem Hund die Häuserblocks umrundet. Erfüllt ihn ein Gefühl der erhabenen Freiheit.
Leben. Das Leben, in seiner Unfassbarkeit.
Ein Räuspern holt ihn in die Gegenwart. Frieda, dreht sich auf die andere Seite. Dabei rutschte ihr rotseidenes Negligee, von ihrer Schulter. Mit einem halb geöffneten Auge, blinzelt sie ihn an. Du willst weg?
Er setzte sich auf die Bettkante, nahm ihre Hand. Ja, Frieda, es ist heute das letzte Mal, dass ich gehe.
Ich nehme Alwin mit. Der lag zusammengerollt, mit gespitzten Ohren, auf seiner Decke, am Fußende des Bettes. Er tat so, als wurde ihn nichts interessieren. Alwin, ein erprobter Kämpfer. Das Herz von Hannes, schlug, voller Stolz.
Ihr zwei seid ein Team. Unschlagbar, kam es aus ihrem Mund, drehte sich ein zweites Mal und schlief weiter.
Vorsichtig glitt seine Hand über die kühl seidene Bettdecke, die ihren wohlgeformten Körper, sinnlich zeichnete. Sanft berührte er ihren dunklen Haarschopf und gab ihr einen Kuss auf ihre Stirn, dann stand er auf. Sein Blick fiel auf ihren Nachttisch. Die Seite ihres zuletzt gelesenen Buches, lag aufgeklappt unter der Nachttischlampe. Ihre Brille diente als Lesezeichen.
Er stand auf, kramte in seiner rechten Hosentasche und holte ein kleines Kästchen raus. Stellte es sichtbar, neben ihren Nachtutensilien.
Draußen im Flur, hing sein Mantel griffbereit. Die Schuhe, nahm er vom Gitter, die Hundeleine, den Schlüssel sah er an und ging, die Tür hinter sich zu ziehend.
Eilig hastete er die Treppe hinunter, öffnete die Haustür. Die Nacht war lau. Er sah gegen Osten, noch alles stockdunkel. Kein Vogel zwitscherte. Stille. Nur das Brummen, des laufenden Motors, eines VW Transporter, der ihn abholte.
Aufgeregt wedelte der Hund mit seiner Rute, als er Gerd erkannte. Tut uns leid Hannes, dich wecken zu müssen. Wo geht es denn hin. Schillerstraße, die Baustelle. Eine Bombe, sie muss entschärft werden. Deine Aufgabe.
Ja, ja, es war seine Aufgabe. Lange hatte er sich darauf vorbereitet und immer wieder hat er sich mit den Zündmechanismen von Bomben aus der Zeit des Krieges, auseinander gesetzt. Tägliches Training, eine ruhige Hand und Konzentration. Sprengstoff ist sein Fach. Feuerwerkskörper, Explosionen, Schusswaffen. Als Junge faszinierte ihn das Schießen.
Mit großer Genauigkeit und Treffsicherheit, trumpfte er im Schützenverein auf. So ein Gewehr hatte was von etwas kühlem, eleganten an sich. Wenn man den Kopf zum genauen zielen, seitlich hinunter beugte, dann war der gesamte Körper, gespannt. Bis der Schuss fiel.
Alle “zwölf“, genau in die Mitte. So manch alter Schütze, klopfte ihn auf die Schulter. Du hast es drauf, hörte er sie dann sagen.
Er war der jüngste Schützenkönig in diesem Verein. Er dachte daran, als er sich für seinen Einsatz im fahrenden Auto, umzog.
Es wird mich nicht retten, und sah dabei die gepolstert Schutzjacke an. Der Helm mit dem Head Set, um die Sprechverbindung aufrecht zu erhalten. Die Schutzbrille mit dem Vergrößerungsglas. Die Handschuhe, die seine Hände warm halten sollten, dass die Finger beweglich bleiben.
All das wird mich nicht schützen.
Zum ersten Mal in seinen langen Arbeitsjahren, dachte er daran. Sein Herz klopfte schneller als sonst.
Er spürte, wie das Adrenalin stieg. Unruhe, nie gekannte Unruhe bewegte seine Gedankenwelt. Das Auto verringerte seine Geschwindigkeit, die erste Absperrung, kam in Sicht. Polizeiautos, querstehende, verhinderten, die Einfahrt in die Zugangsstraßen. Polizisten hoben ihre Kellen und Lautsprecher gaben ihre Warnung kund. Das letzte noch zu räumende Haus, war ein Altenheim. Krankenwagen standen vor der Tür. Pflegekräfte, halfen den alten Leuten, ins Auto zu steigen. Was sie wohl denken mögen.
Angekommen.
Die Baugrube war gut ausgeschachtet, um den Rand der Grube, hatte man schon Sandsäcke aufgebaut, um die Druckwelle einzuengen.
Für alle Fälle.
Niemals hat Hannes für alle Fälle gedacht. Immer hat er diesen Gedanken aus seinen Kopf gestrichen. Es existierte nicht für ihn. Er hatte eine ruhige und sichere Hand.
Der Himmel lichtete sich. Sterne wurden sichtbar blasser. Am Horizont bildete sich ein silberner Streifen. Vögel zwitscherten, dann ein singender Ton, kaum hörbar.
Alwin sprang, gleichzeitig schrie Hannes Deck….. Eine Druckwelle erfasste alles Umliegende.
Es klingelte. Zwei Männer in Uniform standen vor der Tür, als sie, sie öffnete. Nichts sagend überreichten sie ihr einen versiegelten Brief.
Stumm schreien ihre Augen: Ist das alles.
Ging ins Schlafzimmer, holte die vergoldete Kugel aus dem Kästchen, steckte sie in den Revolver und schoss.
Hier … ich … 🙂
https://365tageasatzaday.wordpress.com/2015/06/19/geschafft/
Klasse! Ich bin wirklich begeistert und habe große Freude an dieser Geschichte! Herzliche Grüße und vielen Dank fürs Mitmachen!
liebe Jutta, hier meine Übung, danke für den Input!
https://wortwabe.wordpress.com/2015/06/24/uben-uben-uben/
Liebe Grüße
Carmen
Das gefällt mir wirklich sehr! Ich mag solche “aufgeladenen” Alltagsszenen – also, wenn ich sie nicht gerade erlebe … Wenn es dramatisch wird im Leben, stehen wir ja selten gerade zufällig auf einer Klippe, sondern im Stau oder an der Käsetheke oder wir sitzen eben in der Küche, haben ein Marmeladenbrot in der Hand und können nicht glauben, “dass das alles war …”. Vielen Dank fürs Mitmachen!
Zu diesem Thema möchte ich gern einen etwas älteren Eintrag aus meinem Skizzenbuch-Blog beisteuern:
https://roswithageisler.wordpress.com/2013/12/14/mein-moleskine-gregg/?relatedposts_hit=1&relatedposts_origin=2448&relatedposts_position=2
Liebe Grüße von Rosie
Das ist ja wie ein unerwartetes Geschenk: die schöne Gestaltung im Blog, der Text, der eine ganz eigene Athmosphäre vermittelt und dann diese schöne, unerwartete Verbindung. Texte beziehen sich auf Texte, heisst es in der Literaturwissenschaft. Hier kann man das sehr konkret begreifen. Vielen Dank für all das und herzliche Grüße!