Wie ich über die Leipziger Buchmesse schreiben wollte – und es nicht konnte

„Wie war es denn in Leipzig?“, sollte der Titel eines kleinen Beitrags zu meinen Erlebnissen auf der Leipziger Buchmesse 2015 sein. So hatte ich mir das gedacht – oder jedenfalls sehr ähnlich. Und es war nicht gerade ein abwegiges Unterfangen: Ich blogge, ich habe gerade einen Roman veröffentlicht und diesen auf der Messe bei zwei Lesungen vorgestellt – was lag also näher, als darüber zu schreiben, wie es mir ergangen war. Samstagabend war ich übermüdet nach Bremen zurückgekehrt und mit diesem Schlafdefizit erklärte ich mir auch, dass es mir am Sonntag nicht gelingen wollte, auch nur ein paar Zeilen zu schreiben.

Statt über meine Erfahrungen dachte ich über die Rätselhaftigkeit der Buchmesse nach. Darüber, dass mir vieles unklar ist an dem Treiben in den Messehallen. „Mir ist rätselhaft …“, dachte ich dann, ist eine Form der Einleitung, die ich gerne wählen würde, wenn sie nicht  (so schien es mir jedenfalls) einen Subtext enthielte, der mich eben nicht als die Fragende, die Unwissende, sondern ganz im Gegenteil als diejenige einführte, die tiefer oder  genauer hinschaut, wo sich andere von der vordergründigen, nur scheinbaren Sinnhaftigkeit eines Tuns blenden ließen. Aber so war es nicht, ich wüsste tatsächlich gerne, was z. B. den mir aus der hiesigen Thalia-Filiale bekannten Verkäufer zur Messe führte, wo doch alle immer betonen, dass die Zeiten ja lange vorbei sind, in denen die Buchhändler noch auf der Messe ihre Bestellungen an den Verlagsständen abgaben. Sicher wollte er sich „informieren“ – aber worüber genau? Ich dachte an die vielen Menschen, die sich durch die Hallen treiben ließen, ohne (mir) erkennbares Interesse an den ausgestellten Büchern.

Dann dachte ich auf einmal an die Angler, die das ganze Jahr am Werdersee sitzen. Auch im Winter, auch bei Regen (dann unter großen Schirmen) und die ich ebenfalls gerne fragen würde, was genau ihnen daran gefällt. Ob sie einem noch tristeren Zuhause entfliehen oder von sportlichem Ehrgeiz getrieben werden, ob der geangelte Fisch (nie sehe ich, dass jemand einen solchen aus dem Wasser zieht) jedem gekauften geschmacklich vorzuziehen wäre?

Anstatt über meinen Buchmesse-Beitrag nachzudenken, dachte ich über Dialoge nach und dass der Subtext der Formulierung „Es ist mir rätselhaft …“, den ich hier gerne losgeworden wäre, dem Gespräch eines Ehepaares eine schöne Färbung gäbe. Aber verflixt, warum war ich mir überhaupt sicher, dass es eine Frau war und kein Mann, die sagte: „Es ist mir vollkommen rätselhaft, warum du da immer noch hingehst!“ Oder sagte sie: „Es ist mir vollkommen rätselhaft, was du dir von diesem Treffen erhoffst!“ Was für ein Treffen? Wer redet da?

So ist es eben: Ich bin keine Journalistin und nur in zweiter Linie Bloggerin, ich bin Schriftstellerin und das Schreiben funktioniert (bei mir) nun mal genau so: Irgendetwas nistet sich in meinem Kopf ein, macht sich dort breit, führt zu etwas anderem – und oft entsteht dann ein ganz anderer Text, als ursprünglich gedacht.

Und für diejenigen, die vielleicht immer noch wissen möchten, wie es war, greife ich (ausnahmsweise) mal auf andere Medien zurück:

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Das war auf der (passend zum Ort) ein bisschen skurrilen Lesung im Clownsmuseum

Von der tollen Lesung der Unabhängigen Verlage im Lindenhof gibt es nicht nur dieses schöne Foto (auf dem auch der Moderator Heim0 Strempfl und die Autoren-Kollegen Tobias Sommer und Adrain Witschi zu sehen sind), sondern hier auch den „Sound“:

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Und vom anschließenden fröhlichen Zusammensein mit den von mir hochgeschätzten Kolleginnen Kerstin Becker und Ulrike Ulrich gibt es zum Schluss auch noch ein Foto:

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9 Kommentare

  1. Liebe Jutta, wer sagt denn, dass journalistische oder auch Blogbeiträge irgendwie „linear“ von einem Geschehen berichten müssten? 😉 Be-eindruck-te Grüße (nicht nur vom „Sound“)!

    1. Liebe Maren, Recht hast du mit dem Hinweis auf die Freiheit von Blogger:innen! Und gefreut habe ich mich natürlich sehr, dass dir auch der O-Ton gefällt! Sehr herzliche Grüße!

  2. Vielen Dank, liebe Jutta, für diesen mal so ganz anderen Leipzig-Eindruck, der mir auch recht deutlich vor Augen führt, wie man die Messe noch wahrnehmen kann. Und diesen Blickwinkel, den Du uns da aufzeigst, finde ich mindestens genauso spannend wie die vielen Berichte darüber, wie es denn gewesen sei, dort in Leipzig.
    Viele Grüße, Claudia

  3. Ich schließe mich Maren und Claudia an. Und irgendwie musste ich bei dem Dialog des Ehepaares schmunzeln. Vielleicht steckt in solchen Gedanken, wenn man in sich hineinhorcht, mehr Realität als in der journalistischen linearen Abarbeitung des äußeren Geschehens. Jedenfalls ist mir der Satz „Es ist mir selbst ein Rätsel, warum ich keine recht auf Buchmessen habe“ vertrauter als die Aussage: „Und der Buchpreis geht an…“ 🙂

    Und, liebe Jutta: Das Staunenkönnen wie ein Kind unterscheidet die Schriftstellerin vielleicht vom routinierten Journalisten, der schon vorher weiß, wie hinterher seine Eindrücke sein werden (ich darf das schreiben, weil selbst ehemals Journalistin).

    Liebe Grüße, Birgit

    1. Liebe Birgit, vielen Dank für deine freundlichen Worte, über die ich mich sehr gefreut habe! Ich wünsche mir manchmal, es würde mich etwas weniger Energie kosten, auch mal „linear abarbeiten zu können“ – aber „eigentlich“ habe ich ja meinen Frieden damit gemacht, dass es so ist, wie es ist. Wobei es dich vielleicht freuen wird, dass dieses Ehepaar gar nicht mehr verschwinden will – obwohl ich sie gerade überhaupt nicht gebrauchen kann (s.o.). Also bekommen sie in den nächsten Tagen vermutlich noch einen weiteren „Auftritt“ hier im Blog – vielleicht ist dann ja Ruhe … Sehr herzliche Grüße!

        1. Also ohne dein „gutes Wort“ für die beiden, hätte ich meine Mittagspause wahrscheinlich mit Zeitungslektüre verbracht – so haben sie doch weiter Form angenommen. Du wirst sehen 😉

Ich freue mich über Kommentare!

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